Katzendaemmerung
so oft gestoßen, wie auf Fahrrad fahrende Buckelwale.«
Mia kam mir zu Hilfe. »Aber wer sagt denn überhaupt, dass Joy an diesem Freitag verschwand? Vielleicht war es ja auch ein oder zwei Tage später.«
»Sicher«, räumte der Sheriff ein, »allerdings sind Sie bislang die letzten beiden Personen, mit denen sie offiziell zu tun hatte. Danach verliert sich ihre Spur.«
»Bei diesem Parkplatz in den Bergen«, ergänzte ich.
»Genau. Aber es ist eben nur das Auto. Bislang können wir ja noch nicht einmal sagen, ob die Vermisste den Wagen überhaupt selbst gefahren hat. Die Spurensicherung hat meist nur verwischte Fingerabdrücke entdecken können. Es liegt noch zu viel im Dunkeln.«
Nachdem wir ihm beide keine weiteren Anhaltspunkte für einen möglichen Aufenthaltsort von Joy geben konnten, bedankte er sich für unsere Mitarbeit und verabschiedete sich. Kurz vor der Tür drückte er mir noch seine obligatorische Visitenkarte in die Hand. »Falls Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, was uns weiterbringen könnte. Sie können mich jederzeit anrufen.«
»Ich werde daran denken«, versicherte ich ihm. »Trotzdem, viel Erfolg weiterhin. Vielleicht stellt sich ja am Ende doch noch alles als völlig harmlos heraus.«
»Tja … danke«, murmelte Friedlander nachdenklich. Auf dem ersten Treppenabsatz drehte er sich nochmals zu mir um. »Möglicherweise haben Sie ja recht; ich wäre jedenfalls der Letzte, der was dagegen hätte.« Seinem Tonfall war allerdings anzuhören, dass er daran noch weniger als an Ufo-Stories im ›National Enquirer‹ glaubte.
Während das metallische Dröhnen seiner Schritte langsam verhallte, starrte ich versunken auf das hellblaue Kärtchen in meiner Hand. In schnörkellosen Lettern stand dort:
Abraham C. Friedlander
County-Sheriff
Riverside - County-Police-Department
109 Mulberrystreet
Darunter waren zwei Telefonnummern aufgeführt, eine dienstliche und eine private. ›Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte …‹, hörte ich in Gedanken wieder seine unaufdringliche Stimme. Eine altbekannte Standardfloskel, die von Marlowe bis Colombo reichte. Oh ja , dachte ich, mir könnte da sogar eine ganze Menge einfallen.
Mia kam in den Flur und lugte über meine Schulter nach unten. »Ist er endlich weg?«
Ich atmete tief durch. »Fürs Erste jedenfalls.«
Meine Freundin gab ein helles Lachen von sich. »Heeh, Tom, was ist los? Du wirst dir doch von diesem Bullen keine Angst machen lassen. Wir waren gut, Mann. Ehrlich. Selbst wenn Friedlander drei Notizbücher vollgeschrieben hätte, könnte er uns daraus keinen Strick drehen. Und ganz nebenbei: Welches Motiv solltest du denn gehabt haben? Weil der Verlag sich weigerte, dein Buch mit Kalbsledereinband und Goldschnitt herauszubringen?« Sie wuschelte durch die Haare in meinem Nacken. »Hör’ auf, zu grübeln. Die Sache ist erledigt. Vorbei!«
Mias Argumente waren stichhaltig; ohne ein plausibles Motiv konnte man uns wohl kaum auf die Liste der Verdächtigen setzen. Und solange das vermeintliche Opfer nicht gefunden wurde, gab es noch nicht einmal eine Tat.
»Klingt eigentlich logisch«, pflichtete ich ihr bei. »Wahrscheinlich mache ich mir nur wie immer zu viele Gedanken.«
»Wie immer!«, bekräftigte Mia lächelnd.
Als ich bedächtig wieder die Tür ins Schloss zog, konnte ich mich trotz allem eines unwohlen Gefühls nicht erwehren. Vermutlich hatte ich die obskure Vorstellung, dass es der Natur der Dinge zuwiderliefe, wenn Verbrechen dieser Art ungesühnt blieben.
Die nun folgenden Wochen verliefen äußerst ruhig. Keine Anrufe oder Polizei-Besuche störten unsere heimische Idylle. Als ich nach knapp einem Monat weder von Friedlander noch von einem seiner Kollegen weiter behelligt worden war, zerstoben auch bei mir die letzten Zweifel. Es gab halt doch Verbrechen, die niemals aufgedeckt wurden. Besonders solche, bei denen Gott-Wesen ihre Finger im Spiel hatten.
Endlich besaß ich wieder die innere Ruhe, um mich dem Berg von unerledigter Arbeit stellen zu können. So schickte ich die längst überfälligen Features an ›Blue Sky‹ und machte eine kurze Werbefoto-Serie für ›Miller-Bier‹. Für die Vermittlung dieses kleinen aber äußerst lukrativen Jobs ließ ich Chris Donelly zehn Kästen ›Genuine Draft‹ zukommen. ›Heb’ dir was für’s Wochenende auf!‹, hatte ich auf eine beiliegende Karte geschrieben. ›Du musst es deinen Kumpels von den ‘A.A.’ ja nicht gerade auf die Nase binden.‹
Ich
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