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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Ägyptenbesucher, ob nun Tourist oder Forscher, der nicht die Pyramiden gesehen hat, ist wirklich ein Unding. Wie sagt schon Francis Frith: »An dem Tag im Leben eines Mannes, da er zum ersten Mal die Pyramiden erblickt, bricht eine neue Zeitrechnung für ihn an.«
    Ich bin gespannt.
     
    An dieser Stelle überflog ich erneut ein paar Seiten. Die Aufzeichnungen von Julius Blatchford über seine Eindrücke von Gisa und Heliopolis waren sicherlich nicht ohne Reiz, mich interessierte aber viel mehr, was der junge Student von Bubastis und vor allem von Attiya Peacham und ihrer kleinen Tochter zu berichten hatte. War Damiyats Zweitname nur ein purer Zufall oder steckte doch mehr dahinter?
    Die Reisegruppe blieb noch vier weitere Tage in Kairo; man nutzte die Zeit für ausgedehnte Besichtigungstouren, Provianteinkäufe, Behördengänge oder einfach nur zum Faulenzen. An den Abenden besuchten sie meist gemeinsam alte Freunde von Norman Peacham.
    So geschah es auch am letzten Tag, wo man der Einladung von Professor Percy Newberry folgte. Newberry, ein Gründungsmitglied der ›Ägyptischen Forschungsgesellschaft‹ und Dozent für altägyptische Geschichte und Archäologie an der Universität in Kairo, kannte Peacham noch von dessen erster Grabung zusammen mit Naville. Gebannt lauschte er jeder noch so unbedeutend scheinenden Neuigkeit aus England. Er gab seinen Gästen dafür Ratschläge, wo genau in Bubastis er Erfolg versprechende Grabungsstellen vermutete. Obwohl das von ihm mitbetreute Bulak-Museum die Fülle der antiken Schätze kaum mehr fassen konnte, wünschte der Professor den Peachams und Julius Blatchford dennoch, sie mögen ein bislang ungeöffnetes Königsgrab entdecken. Oder einen Tempel ›randvoll mit goldenen Katzen‹.
    Mit dem Versprechen, Bubastis in den nächsten Monaten einmal zu besuchen, verabschiedete Newberry seine Gäste.
     
    25. Januar: Die letzte kurze Etappe von etwa zweiundzwanzig Meilen nach Zagazig legten wir heute Morgen nun doch mit der Eisenbahn zurück. Die recht karg eingerichteten Wagen besaßen keine abgetrennten Abteile, und so saßen wir inmitten von einheimischen Frauen mit Gemüsekörben und schnatterndem Geflügel; ich entdeckte sogar mehrere Ziegen und ein Kalb. Offenbar hatten sich die Leute auf den Märkten von Kairo mit dem Nötigsten eingedeckt oder aber auch selbst Handel getrieben. Die Gerüche und Geräusche waren entsprechend.
    Die meisten der Fahrgäste trugen schwarze Mileyyas, ein Zeichen dafür, dass sie verheiratet waren. Die wenigen Männer, die sich meist rauchend und lautstark diskutierend die Zeit vertrieben, waren in die typisch weiten Galabijas gehüllt. Als Kopfbedeckung diente ihnen in der Regel ein roter Tarbûsch oder ein blauer Turban, der oft nur aus einem einzigen kunstvoll geschlungenen Tuch bestand.
    Zu beiden Seiten der Gleise erstreckten sich Felder, die abwechselnd mit Winterweizen, Gerste, Klee, Zwiebeln oder Bohnen bestellt waren. Wie schon vor Tausenden von Jahren sorgte jeweils ein einfacher Shaduf mit einem stoisch dahertrabenden Wasserbüffel für die Bewässerung. In einigen Bohnenfeldern waren Bauern damit beschäftigt, die Wassergräben mit einer kurzen Hacke aufzulockern. – Frith hatte recht behalten: Kaum hatte ich die Pyramiden erblickt, durchfuhr ich eine Landschaft, in der die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Bereits am Bahnhof von Zagazig erhielt ich allerdings einen Vorgeschmack darauf, wie trügerisch diese Idylle war. Jeder europäisch anmutende Reisende (wir waren in diesem Zug die Einzigen) wurde sogleich von Dutzenden von Händlern umlagert, die ihre Amulette, Ketten und Tierfigürchen in einem babylonischen Stimmenwirrwarr anpriesen.
    ›Vielleicht sind wir doch zu spät‹, dachte ich. Der Ausverkauf Ägyptens hatte schon in grauer Vorzeit begonnen. Nach fünftausend Jahren waren die Schatzkammern leer geräumt. Was blieb, waren winzige Fragmente. Wertloser Plunder. Ein erbärmliches Abbild ehemaligen Glanzes. Wären die Pyramiden nicht aus derart unhandlichen, tonnenschweren Quadern errichtet worden, so hätte man sicherlich auch vor ihrer Zerstörung keinen Halt gemacht. Kaum vorstellbar, wie viele Souvenirstücke findige Händler daraus hätten machen können. Napoleon hatte einmal ausgerechnet, dass er mit den Steinen der drei großen Pyramiden einen Schutzwall von zehn Fuß Höhe und zwölf Inch Breite um ganz Frankreich hätte ziehen können. Gigantische Dimensionen, die einen schwindeln lassen; glücklicherweise

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