Katzendaemmerung
eingejagt.‹
Ich erhielt einen ganz ähnlichen Eindruck. Attiya wurde lediglich geduldet; eine offene Ablehnung ihrer Person schied aber nicht nur deshalb aus, da sie nun die Frau eines Devisen bringenden Archäologen war. Abû Tariks Respekt ihr gegenüber fußte zu keinem geringen Anteil auf purer Angst. Selbst wenn sich die roten Hamsterbacken des Kaimakans ständig zu einem breiten Lächeln verzogen, so las ich dieses Gefühl doch in seinen Augen.
Doch wovor sollte er sich nur fürchten? Attiya und ihre kleine Damiyat waren nicht gerade ein Anblick, der Albträume bescherte. Ganz im Gegenteil. Selbst jetzt, da ich diese Zeilen niederschreibe, bin ich mir nicht sicher, was ich tatsächlich heute beobachtet habe. Vielleicht übertreibe ich auch nur maßlos. Es ist leicht möglich, dass ich manche Geste oder manchen Blick überinterpretiert habe. Mir sind zwar hieratische und demotische Schriften wohl vertraut, von den Sitten und Gebräuchen im Ägypten der Neuzeit besitze ich allerdings nur rudimentäre Kenntnisse.
Abû Tarik führte uns daraufhin ins Innere seines Heimes und lud zu einem Gastmahl ein. Sein ›Wohnzimmer‹, wenn man es so nennen will, bestand aus einem etwa sechs Meter langen quadratischen Raum, bei dem man jedoch vergeblich nach Sofas oder Stühlen Ausschau hielt. Als Sitzgelegenheit diente nur ein großer prächtig gemusterter Teppich, auf dem verstreut einige kleine Kissen lagen.
Kaum hatten wir Platz genommen, da begannen auch schon zwei verschleierte Frauen damit, die Speisen zu servieren. Der Kaimakan war zwar einige Tage zuvor von meinem Onkel über unsere Ankunft in Kenntnis gesetzt worden, ein derart lukullisches Mahl hatte ich aber dennoch nicht erwartet. Mühelos übertraf es selbst die festlichste Tafel im Hôtel d’Orient in Kairo. Es gab mit Kräutern gefüllten Samak, gebratene Tauben, gegrilltes Hammelfleisch und selbst Truthahn. Natürlich fehlte weder die aus Molucheya, einem spinatartigen Gemüse, zubereitete ›Grüne Suppe‹, noch das typische Pilaff. Als Teller dienten uns dabei große Weißbrotfladen, die man anschließend ebenfalls verzehren konnte; eine überaus praktische Erfindung, wenn man den Wegfall des leidigen Abwaschs betrachtet.
Vor Beginn des Essens kam es zu einem weiteren kleinen Vorfall, der die Spannungen zwischen Mrs. Attiya und unserem Gastgeber verdeutlichte. Abû Tarik breitete seine Arme aus und sagte: »Allah ist mächtig. Gepriesen seiest du für die Fülle der Speisen, die du hier vor uns ausgebreitet hast.«
Er hatte kaum geendet, als sich Attiya ihrerseits erhob. Starr, mit geschlossenen Augen, verharrte sie einige Augenblicke, bis völlige Stille eingekehrt war. Als sie schließlich mit leiser aber deutlicher Stimme sprach, klangen ihre Worte seltsam fremd, so, als spräche eine andere Person aus ihrem Mund. Genauso mussten sich die Weissagungen der Priesterin eines Orakels angehört haben. »Gepriesen seien Nepri, Renenutet und Sechat-Hor«, sagte sie. »Und vor allem die Große Bastet, Herrin von Bubastis.«
Es hatte für mich den Anschein, als führten die beiden wie bei einem Wettstreit ihre jeweiligen Götter ins Feld. Zudem wurde deutlich, wie sehr Attiya noch am Glauben ihrer Vorfahren hing; über Gott oder Christus hatte sie schließlich kein Wort verloren.
Nach Abschluss des Essens geleitete uns Abû Tarik zu unserem zukünftigen Domizil. Das einfache Lehmziegelhaus, das sich am Südost-Rand von Zagazig befand, war meinem Onkel schon von seinem ersten Aufenthalt bei den Ruinen von Tell Basta her bekannt. Wie uns der Kaimakan versicherte, hatte er die Behausung seitdem nur an einige wenige europäische Touristen vermietet, die allerdings meist schon nach kurzer Zeit weiter nach Süden gereist waren. Bubastis schien halt nicht die Aura von Gisa, Theben oder Karnak zu besitzen. (Was das betrifft, so werde ich mich in den nächsten Monaten hoffentlich vom Gegenteil überzeugen können.) Offizielle Grabungen hatten in den letzten Jahren nach Naville jedenfalls nicht mehr stattgefunden.
Ich habe mir einen der drei Räume des Hauses provisorisch hergerichtet, ich beabsichtige aber, mich die meiste Zeit in einem der von uns mitgebrachten Zelte aufzuhalten. Schließlich hat die Familie Peacham ein Anrecht auf eine Privatsphäre. Und auch ich werde die gelegentliche Ruhe sicherlich genießen.
Ich habe einen ersten flüchtigen Blick über das Gelände von Bubastis werfen können, aber noch ziehe ich es vor, die Erzählungen meines viel
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