Katzendaemmerung
verspürte wenig Lust, ihr mitzuteilen, dass sie mit derart breiten Hüften und den viel zu großen Brüsten nie eine Chance auf eine nennenswerte Modelkarriere besitzen würde. Wie ich gerade selbst festgestellt hatte, lagen Rosalies Stärken eindeutig auf erotischem Gebiet. Eine Fotoserie als ›Playmate des Monats‹ war durchaus denkbar.
Was auch sonst?, dachte ich. Für genau diese Funktion hatte Mia sie schließlich auch ausgewählt. Ein weiteres williges Lustobjekt für den Harem der unersättlichen Bastet.
»Hast du das gehört?«, wandte sich Rosalie an Mia. »Thomas meint tatsächlich, ich hätte Chancen. Ich, das kleine Mädchen aus Pomona. Die Kamera, sie wird mich lieben, hörst du? Oooh, ich kann’s nicht fassen.«
»Na, hab ich’s nicht gesagt?«, grinste Mia. Unbemerkt von ihrer Freundin, zwinkerte sie mir kurz zu. Es war ein verschwörerischer Danke-Partner-Gruß. Ich schluckte ihn wie eine bittere Pille. Hatten wir das Spiel nicht als Gegner begonnen? Mia klopfte neben sich auf das Sofa. »Komm’ her, meine Süße und lass’ dich drücken.«
Rosalie flog förmlich auf sie zu. Die beiden Frauen umarmten sich so innig, als handelte es sich bei ihnen um jahrelang getrennte Schwestern. »Ich bin ja so glücklich«, schluchzte das Mädchen aus Pomona.
»Ich weiß, ich weiß, meine Süße«, sagte Mia und drückte der anderen einen Kuss aufs Ohr. »Aber mach’ dir bloß keine zu großen Illusionen. Noch ist dein Gesicht nicht auf dem Cover von ›Harper’s‹ erschienen. Bis dahin ist es ein äußerst harter Weg. Von Tausenden, die anfangen, gelingt es am Ende vielleicht einer, das große Geld zu machen. Bleib’ also mit beiden deiner wundervollen Beine fest auf dem Boden.«
Rosalie lockerte die Umarmung, damit sie ihrer Freundin genau in die Augen sehen konnte. Während sie sprach, kam ihr Gesicht aber wieder langsam näher; schließlich berührten sich ihre Nasenspitzen.
»Du hast ja vollkommen recht. Dennoch, ich fühl’ mich richtig high. Ich kann einfach nichts dagegen tun. Ich finde es einfach schon verrückt, dass ich geeignet sein könnte. Und selbst wenn ich von Thomas’ Urteil fünfzig Prozent abziehe, sieht es immer noch gut aus.«
Vielleicht hätte ich doch ein wenig zurückhaltender sein sollen , dachte ich etwas zerknirscht. Jeder ihrer Freudenschreie verursachte mir Magenschmerzen.
»Oh, Mia, ich bin ja so froh, dass ich dich getroffen habe«, seufzte Rosalie glücklich. »Ohne dich hätte ich wohl nie mehr über meine Model-Träume nachgedacht. Weißt du was? Ich glaub’, es muss wohl Schicksal gewesen sein. Wie ein Engel bist du mir erschienen. Und was für ein schöner Engel du nur bist.«
Was darauf folgte, war ein langer, leidenschaftlicher Kuss. Mit zwei sich innig umarmenden Schwestern hatten die Frauen nun aber jede Ähnlichkeit verloren. Als sie sich endlich wieder voneinander trennten, bedachten mich beide mit derart unschuldig seligen Blicken, als hätten sie soeben die heiligen Sakramente empfangen.
»Tom, sei’ doch so lieb, und bring’ uns bitte einige deiner Fotomappen zum Anschauen«, säuselte Mia. »Rosalie hält es doch vor Neugier nicht aus, deine Arbeiten zu sehen.« Es schien ihr großes Vergnügen zu bereiten, unsere Charade auf die Spitze zu treiben. – Unsere? Es war allein ihre.
Nur widerwillig erhob ich mich aus meinem Sessel. Keinem der anderen Mädchen hatten wir je etwas von einer möglichen Fotokarriere vorgegaukelt. Wozu auch? Sie waren ausschließlich fürs Bett und nicht für den Catwalk ausgesucht worden. Zwar hatte ich bei diesen ›Vorführungen‹ viel fotografiert, für eine Sed-Card waren aber auch die harmlosesten Bilder zu gewagt ausgefallen.
Nachdenklich stapfte ich hinüber zum Büro. Mias neue Eroberung war zweifellos attraktiv, warum aber hatte sie ihr nur diese Flausen in den Kopf gesetzt? Ein Mädchen mit Evangelista-Träumen bereitete doch nichts als unnötigen Ärger.
Ich packte den beiden zwei dicke Ordner mit meinen aktuellen Mode- und Werbeaufnahmen auf den Tisch und zog mich dann mit einer 93er Ausgabe von ›World Press Photo‹ in meinen Sessel zurück.
Anfangs wollte Rosalie noch wissen, wo ich ein bestimmtes Foto gemacht hatte, oder wer das Model oder gar der Hairstylist am Set gewesen war, nach einer Weile hörte ich sie aber nur noch leise mit ihrer Nachbarin tuscheln. Mia war ganz nahe an sie herangerückt und hatte ihr den Arm um die Schulter gelegt. Gemeinsam blätterten sie nun in dem Ordner, der auf
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