Katzendaemmerung
ganze Weile, bis ich begriffen hatte, dass meine Person hier nicht länger erwünscht war. Der Narr hat seine Schuldigkeit getan, der Narr kann sich zum Teufel scheren , dachte ich mit einem bitteren Lächeln.
»Tja, ich geh’ dann also«, verabschiedete ich mich unbeholfen. »Noch viel Spaß heute Abend.«
Niemand regierte. Die beiden Frauen waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie höchstwahrscheinlich nicht einmal mehr einen lauten Schrei gehört hätten. Schulter zuckend wandte ich mich ab. Auch gut. Ich hatte hier ohnehin nichts mehr verloren. Noch während ich die Tür hinter mir schloss, drang das dumpfe ›Plop‹ der heruntergefallenen Fotomappe an mein Ohr.
In meinem Büro ging ich sofort daran, eine Atmosphäre der chaotischen Betriebsamkeit zu erzeugen. Ich schloss die Tür, verstreute wahllos Fotos und Storyboard-Zeichnungen einer längst abgeblasenen Werbekampagne für ›Savane‹-Jeans auf meinem Schreibtisch und stellte das Radio auf einen Sender mit halbwegs erträglichen Pop-Songs. Durch die Musik hoffte ich, etwaige Störgeräusche aus anderen Zimmern übertönen zu können.
Ich setzte mich, legte die Beine lässig auf den Tisch, verschränkte meine Hände im Nacken und überflog prüfend die angerichtete Unordnung. Der Schein blieb zumindest gewahrt. Falls Rosalie unerwartet in meinem Allerheiligsten auftauchen sollte, konnte sie immer noch glauben, ich würde gerade über einem schwerwiegenden kreativen Problem meditieren.
Bei den ruhigen Klängen zu Celine Dion’s ›Love Doesn’t Ask Why‹ schloss ich die Augen. Doch auch bei dieser gefühlvollen Liebesballade gelang es mir einfach nicht, abzuschalten. Statt Celine meinte ich Bastet singen zu hören, mit einer Stimme, die vor dunkler Ironie nur so triefte:
Now I can feel
What you’re
Afraid to Say
If you give your soul to me
Will you give too much away.
Doch gab es für mich überhaupt noch einen Grund, besorgt zu sein? Hatte ich der unersättlichen Katze nicht schon längst meine Seele verkauft?
Schnell wechselte ich zu einer Station, wo der unvermeidliche Rap von dröhnenden Techno-Computerklängen untermalt wurde. Schöne, neue Musikwelt , dachte ich resignierend. Aber immerhin konnte man die stets gleichen Retortenklänge bedenkenlos im Hintergrund laufen lassen. Nach einer gewissen Zeit nahm man sie kaum mehr wahr, wie das Dröhnen eines Motors oder das Heulen des Windes.
Der Wind. Noch immer umwirbelt er das Haus. Die Nacht ist gekommen und wieder gegangen, aber der Wind hat sich keine Ruhe gegönnt. Genau wie ich. Auch ich habe hier zäh an meinem Schreibtisch ausgeharrt und den Kampf mit den leeren Seiten aufgenommen. Und viel Platz ist nicht mehr in meinem tragischen ›Buch der Erinnerungen‹ geblieben. Doch ich bin zuversichtlich. Meine Geschichte nähert sich endlich ihrem Ende. Endlich. Meine Finger, mein ganzer Arm sind schmerzhaft verkrampft, der fehlende Schlaf lässt meinen Kopf seltsam leicht erscheinen, und doch zwinge ich mich dazu, weiterzuschreiben. Wenn ich jetzt abbreche, dann ist es möglicherweise für immer. Aber ich will diese Geschichte erzählen. Sie muss einfach erzählt werden. Und wenn es nur allein für mein Seelenheil geschieht.
Draußen liegt eine neblige Dämmerung über der See. Graues Licht erhellt einige Wolkenfetzen. Es ist eine unwirkliche Zeit. Unheimlich. Man weiß nicht, ob es Tag oder Nacht werden will. Die Dämmerung ist die Geburt des Lichts, aber zugleich auch die Wiege der Finsternis. Eine graue Zone; wie gemacht für ein Wesen wie Bastet.
Ganz gewiss spielt sich die letzte, entscheidende Szene meiner Erzählung nicht nur zufällig im Licht der Dämmerung ab … Doch ich greife den Ereignissen voraus. Noch hatte ich eine letzte Nacht zu überstehen. Meine letzte Nacht im Tempel der Bastet.
Irgendwann am frühen Abend verließen Mia und Rosalie schließlich die Wohnung. Ich schaute nicht auf die Uhr, und daher konnte ich nicht sagen, ob es eine oder zwei Stunden nach meinem Rückzug geschah. Ich atmete lediglich auf, als keine der beiden den Versuch unternahm, mich vielleicht doch noch umzustimmen. Nur das Zufallen der schweren Eingangstür verriet mir ihr Gehen. Das metallisch dumpfe Krachen überlagerte selbst die schnellen Beats der Computer-Songs. Vielleicht sollte ich mal ein paar dieser Techno-Kids zum Aufnehmen einladen , dachte ich. Der satte Sound eignete sich doch sicher hervorragend zum Sampeln.
Das Schließen der Tür war kaum
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