Katzenhöhle
Larissa besser ging, nahmen die uns mit auf die Wache, taten ewig rum mit dem Protokoll. Was, wann, wer, wieso.« Ein tiefer Zug. »Bis wir dann wieder daheim waren, war’s schon fast eins.«
»Hat Larissa bei Ihnen übernachtet?«
»Klar, die hätt ich doch nicht allein lassen können.«
»Wo ist sie jetzt – immer noch in Ihrer Wohnung?«
»Nein, die ist gleich in der Früh abgedüst. So gegen halb acht.«
Lilian schaute auf ihre Armbanduhr. Jetzt war es fast vier. Sicher war Larissa schon längst wieder in London. Das Lob des Staatsanwalts war ihr sicher.
»Hier, in diesem Hotel in Regensburg ist sie abgestiegen.« Billy zog ein zerknittertes Blatt Papier aus seiner Weste, die seinen Bauchansatz nicht ganz bedeckte.
Erleichtert nahm Lilian das Blatt. Sie las die Adresse: Inselhotel Sorat. Na, so was? Da war sie doch heute schon gewesen.
Sie reichte Billy ihre Karte. »Wenn Ihnen noch was einfällt, dann rufen Sie mich bitte an. Ach, noch was – haben Sie Mira auch eine Ihrer Skulpturen geschenkt?«
»Der doch nicht. Die hatte keine Ahnung von wirklicher Kunst.« Diesmal nippte er nur von seinem Glas. »Im Gegensatz zu Lena. Lena ist in Ordnung, in jeder Hinsicht. Da soll noch einer sagen, Zwillinge seien gleich.«
Am Straßenrand vor der Kneipe lagen zusammengeschmolzene, schmuddelige Schneereste. Es hatte zu regnen angefangen. Bald würden die achtlos zusammengeschaufelten Haufen endgültig verschwinden. Gut, dass sie gleich ums Eck einen Parkplatz gefunden hatten. Es war kein Wetter zum Flanieren oder Bummeln, obwohl es in dieser Straße mitten in Schwabing schnuckelige Geschäfte gab. Zumindest war das vor 13, 14 Jahren so gewesen: verträumte Indien-Läden, avantgardistische Schmuckboutiquen, Antiquariate zum Schmökern, kuschelige Cafés. Lilian kannte diese Ecke Münchens aus ihrer Zeit auf der Polizeischule. Damals hatte sie ganz in der Nähe eine Bude gehabt, am äußersten Rand von Schwabing. Gar nicht weit zur Münchner Freiheit, zum Leopoldkino – gab es das überhaupt noch? War da jetzt nicht ein Telekomshop drin? – oder zu einer der vielen Kleinkunstbühnen. Mit den bescheidenen Mitteln, die ihr damals zur Verfügung gestanden hatten, hatte sie sich das eine oder andere kulturelle Highlight gegönnt. Aber auch sonst hatte sie diese Zeit genossen. Sie dachte an ihre Spaziergänge durch den Englischen Garten oder einen seltenen Nachmittag an der Isar. Oder daran, wie sie das wenige Geld, das ihr übrig geblieben war, zwischendurch für völlig unnötige Dinge wie Ohrringe oder Chiffontücher mit Blumenmuster ausgegeben hatte. Denn ihr damaliger Freund, späterer Mann und noch späterer Ex – auf jeden Fall ihr über jeden Zweifel erhabene Märchenprinz Stefan – hätte ohnehin nur die Nase gerümpft, wenn er diesen Firlefanz zu Gesicht bekommen hätte. Stefan bevorzugte Frauen mit Natürlichkeit, ohne Zierrat und aufgesetzte Weiblichkeit. Ihm zuliebe war Lilian, so oft sie konnte, gleich nach Dienstschluss Richtung Regensburg gesaust. Doch ein paar geheime Momente hatte sie sich trotzdem gegönnt, fast gestohlen. Sehr wertvolle, freie Momente.
»Du fährst.« Helmut warf Lilian die Autoschlüssel zu und quetschte sich auf den Beifahrersitz. »Ich schau mir solang die Stadt an.«
Sein Blick folgte einer hübschen Blondine in einer knappen Lederjacke und einem noch knapperen Minirock. Ob die Dame nicht frieren würde bei diesen Temperaturen?
»Alter Chauvi!« Lilian puffte ihn unsanft in die Seite. »Warum hast du denn die großzügige Einladung zu einem Glas Bier ausgeschlagen?«
»Ich brauch noch Platz für das Bier mit dem Pathologen.«
»Dann freu dich mal nicht zu früh. Die Vernehmung von Larissa Gregori steht noch an.«
»Da brauchst du mich bestimmt nicht. Schaffst du doch locker alleine.« Helmut streckte sich genüsslich, soweit das seine langen Beine erlaubten. »Oder, Chef?«
Wie Recht er hatte. Hauptsache, sie konnte sich noch ein wenig vor Davids Geburtstagsfeier drücken.
Wieder in Regensburg erfuhren sie im Sorat Hotel, dass Frau Gregori unterwegs sei. Niemand wusste, wann sie zurück zu erwarten sei. Auch Cedric Ormond war außer Haus. Also fuhren Lilian und Helmut in die Polizeidirektion, wo Lilian ihn großzügig entließ. Nicht wegen seiner Verabredung mit dem Rechtsmediziner, der war ohnehin schon wieder nach Erlangen entschwunden. Aber auf der Rückfahrt hatte Helmut ihr erzählt, dass seine Frau Maika heute unbedingt zu ihrem wöchentlichen
Weitere Kostenlose Bücher