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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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schmerzlich bewusst, unter welch kläglichen Umständen er sich den entscheidenden Momenten seines Lebens immer zu stellen hatte.
    «Aber nehmen Sie doch Platz.» Er bemühte sich, der Begegnung eine gewisse Würde zu verleihen. «Leider habe ich nur einen Stuhl. Wie Sie sehen, ist dieses Zimmer nicht dazu angetan …»
    «Für mein Vorhaben schon», unterbrach sie ihn, ohne vom Fenster wegzutreten.
    «Aha.»
    «Sind Sie denn nicht neugierig, was mein Vorhaben ist?»
    «Doch, doch, natürlich … Es ist … entschuldigen Sie, es ist die Überraschung. Da, schauen Sie, ich habe zu essen eingekauft. So brauche ich meine Arbeit nicht zu unterbrechen.»
    Die junge Marquise winkte ungeduldig ab. «Anthony, du schuldest mir keine Erklärungen über deine Gewohnheiten», sagte sie halblaut, mutig zum Du vordringend. «Und lenk das Gespräch nicht ab. Ich bin gekommen, weil ich dich vor einigen Tagen um einen Gefallen gebeten und dir im Gegenzug etwas dafür angeboten habe. Ich bin da, um meinen Teil des Abkommens zu erfüllen.»
    «Oh … aber ich habe doch gar nichts getan.»
    «Die Reihenfolge der Faktoren ändert nichts am Produkt», sagte Paquita mit der Inkonsequenz dessen, der es nicht mag, wenn ihn die Logik auf dem Weg seiner Entscheidung behindert. «Ich halte Wort, und du wirst dasselbe tun müssen. Findest du den Handel denn so schlecht?»
    «O nein», sagte der Engländer verwirrt, «ich … ehrlich gesagt, habe ich das nie wirklich ernst genommen.»
    «Warum denn? Nimmst du die Frauen nicht ernst, oder nimmst du nur mich nicht ernst?»
    «Weder das eine noch das andere … das heißt, ich meine … bei jemandem wie dir, einer Aristokratin …»
    «Lass doch den Quatsch!», sagte die junge Marquise von Cornellá. «Die Aristokratie ist ein Symbol für Tradition und Konservativismus, aber wir Aristokraten tun und lassen, worauf wir gerade Lust haben. Die Bürger haben Geld, wir Aristokraten Privilegien.»
    Anthony dachte, diese klare Darlegung hätte der schwerfällige Garrigaw hören sollen, sie war Wort für Wort auf Doña Antonia de la Cerda übertragbar. Doch weder darüber noch über das, was hier geschähe, würde er jemals etwas sagen können. «Und …?», begann er.
    «Er?», fragte sie mit ironischem Lächeln. «Er wird es nie erfahren, wenn du es ihm nicht sagst. Ich habe Vertrauen in dich als Gentleman, und zudem ist es ein wesentlicher Bestandteil unseres Abkommens, dass dein Aufenthalt in Spanien keine Minute länger dauert als unbedingt nötig. Und lass uns nicht noch mehr Zeit verlieren. Ich habe wieder gesagt, ich gehe zur Messe, und irgendwann wird jemand meine plötzlichen religiösen Anwandlungen verdächtig finden.»
    Paquitas frostiger Humor war nicht unbedingt dazu angetan, die Glut des Engländers zu entfachen, dem überdies das Absurde der Situation so wenig verborgen blieb wie die unheilvollen Folgen, die das Abenteuer zwangsläufig für alle haben musste. Doch diese Erwägungen vermochten nichts gegen Paquitas physische Präsenz, die dieses winzige Zimmer elektrisch aufgeladen zu haben schien. Dasselbe musste Velázquez mit Don Gaspar Gómez de Haros Frau widerfahren sein – mit einem hohen Risiko für seine gesellschaftliche Stellung, seine Künstlerlaufbahn und sein Leben, dachte Anthony, während er alle Hemmungen fahren ließ und sich der bezaubernden jungen Frau in die Arme warf.
    Eine halbe Stunde später nahm sie ihre Handtasche vom Boden auf, zog ein Zigarettenetui und ein Feuerzeug hervor und zündete sich eine Zigarette an.
    «Ich habe dich noch nie rauchen sehen», sagte Anthony.
    «Ich rauche nur bei ganz besonderen Gelegenheiten. Stört es dich?»
    In ihrer Stimme lag ein leichtes Zaudern, in dem Anthony einen Schimmer Zärtlichkeit wahrzunehmen glaubte. Als er Anstalten machte, sie zu umarmen, wies sie seine Avance sanft zurück. «Ich rauche die Zigarette auf und gehe», murmelte sie, den Blick in den Flecken an der Decke verloren. «Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht allzu lange wegbleiben darf. Von der Polizei nicht zu sprechen – wenn man dich überwacht, haben sie mich bestimmt eintreten sehen, sie werden mich herauskommen sehen und sich ihre Sache denken. Natürlich ist das jetzt auch nicht mehr sehr wichtig.»
    Anthony verstand diesen Satz und seinen traurigen Ton: Wegen ihrer Beziehung zu José Antonio Primo de Rivera waren zweifellos alle Vorkehrungen unnütz, um die Wachsamkeit der Polizei zu umgehen. Dass in diesem Moment die Gedanken der jungen Marquise

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