Katzenkrieg
sein scheint … Ach, Lilí, was für ein gefundenes Fressen für die Presse – ich mag mir gar nicht erst ausmalen, was sie aus dieser Nachricht macht! Nein, nein, ich habe mir den Kopf zerbrochen, und es gibt keinen anderen Ausweg – das Opfer muss gebracht werden. Ich werde so tun, als sei nichts geschehen. Von allem, was ich dir jetzt erzählt habe, werde ich kein Wort sagen, weder zu Anthony noch zu José Antonio, noch zu sonst jemandem, das bleibt ein Geheimnis zwischen uns beiden. Du wirst mich doch nicht verraten, nicht wahr, Lilí?»
«Um Gottes willen, Paquita, wie kannst du so etwas fragen!», sagte Lilí. Und nach einer Weile fügte sie in verändertem Ton hinzu: «Aber für mein Schweigen verrate mir doch ein Geheimnis, das ich zu gern kennen möchte.»
«Ich höre.»
«Wer ist Anthony Whitelands wirklich, und wozu ist er nach Madrid gekommen, und ausgerechnet zu uns?»
Außerstande, sich dem begreiflichen Wunsch ihrer Schwester zu versagen, berichtete ihr Paquita von dem im Keller versteckten Velázquez-Bild, dem Entschluss, es durch Vermittlung von Pedro Teacher und Anthony Whitelands im Ausland zu verkaufen, und allem Auf und Ab bei der Operation. Lilí hörte sich die Erklärung kommentarlos an und rief schließlich: «Das ist das ganze Geheimnis? Ein Bild von Velázquez! Was für eine Enttäuschung!»
Mit einem Lächeln entgegnete Paquita: «Das mag dir als Lappalie erscheinen, und wenn ich ehrlich sein soll, sehe ich das auch so. Aber dieses Bild ist nicht nur ein Vermögen wert, sondern auch von außerordentlicher Wichtigkeit, um Leben und Werk des größten Malers aller Zeiten zu verstehen. Das wenigstens sagt unser lieber Freund Professor Whitelands. Für ihn gibt es nichts Wertvolleres auf der Welt, nicht einmal mich. Wenn er von diesem Bild spricht, vergisst er alles andere und wird zu einem wunderbaren Wesen, als verkörpere sich Velázquez höchstpersönlich in ihm. Vielleicht sehe nur ich das so, mit verliebten Augen. Ehrlich gesagt tut es mir sehr leid, dass er den Traum seines Lebens nicht verwirklichen kann – sich die Entdeckung eines Meisterwerks zuzuschreiben, wie es wenige Meter von hier verborgen ist.»
Erregt mit den Armen fuchtelnd, stand Lilí auf. «Es tut dir leid? Paquita, dieser Mann hat dir die Ehre genommen und dein Leben ruiniert! Statt dass dir die Schwierigkeiten in seiner beruflichen Karriere leid tun, solltest du darüber nachdenken, wie du ihn umbringen kannst.»
«Lilí, was hast du für Einfälle! Du bist ein anbetungswürdiges Kindchen!» Dann wurde sie plötzlich ernst und fügte hinzu: «Wir sollten uns eher ums Gegenteil kümmern. Die arme Frau, die du vor einer Weile bei mir gesehen hast, ist nämlich genau deswegen gekommen – um mich zu warnen, dass die Marxisten Anthony umbringen wollen. Den Grund hat sie nicht genannt, aber den Zeitpunkt und den ungefähren Ort. Zuerst dachte ich, die Geschichte stamme aus einem Schundroman, aber am Ende war ich überzeugt, dass sie die Wahrheit sagte. Offenbar war sie damit beauftragt, ihn unter irgendeinem Vorwand zu seinen Henkern zu führen, aber im letzten Moment fühlte sie sich außerstande, so etwas Gemeines zu tun. Wie ich habe folgern können, hat Anthony auch mit ihr eine Liebschaft gehabt. Nichts Ernstes.»
«Und was wirst du tun?», fragte Lilí ungeduldig.
«Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich habe gerade darüber nachgedacht, als du gekommen bist. Dann haben wir über anderes gesprochen, und es ist mir entfallen. Mein erster Gedanke war, zur Polizei zu gehen, logisch, aber diese Frau hat es mir kategorisch verboten, wegen ihrer eigenen Sicherheit und vielleicht auch wegen der Anthonys. So, wie die Dinge liegen, deckt die Regierungspolizei möglicherweise die Mörder, statt Anthony zu beschützen. Und wenn wir die Polizei ausschließen, kommt mir nur ein einziger Mensch mit den entsprechenden Möglichkeiten und dem nötigen Mut in den Sinn. Aber ich fürchte mich, ihn um diesen Gefallen zu bitten – ich fürchte mich, dass an den Tag kommt, was zwischen uns geschehen ist, wenn die beiden miteinander Verbindung aufnehmen.»
Lilí hatte sich wieder hingesetzt und schaute ihre Schwester fest an, den Kopf zur Seite geneigt und das Gesicht in die Hand gestützt, als wollte sie in der törichten, verwirrten Person, die sie vor sich hatte, die echte Paquita erkennen. Ich kann nicht glauben, dass darin die Liebe besteht, schien sie zu denken. Auch sie hatte deren Stich gefühlt, aber eine ganz
Weitere Kostenlose Bücher