Katzenkrieg
falsch verstanden. Aber nach zwei Schritten ging die große Tür auf, und eine Stimme flüsterte: «Kommen Sie rein.»
Anthony trat ein und befand sich in einem großen, halbleeren Raum. Im Licht der nackten Glühbirnen waren die unverputzten Wände, die Eisenbalken und ein schmutziges Oberlicht zu erkennen. Im Hintergrund waren Kartonschachteln aufgestapelt, und an einer Seitenwand stand ein klappriges Auto ohne Räder. Im Raum befanden sich ferner vier Männer in Pelzjacken und mit Schirmmützen. Drei von ihnen sahen furchterregend aus und rauchten frenetisch. Der vierte, der ihm die Tür geöffnet hatte, stand etwas abseits von seinen Kollegen, die Mütze tief in die Stirn gezogen und den Kopf zur Seite geneigt, als wolle er nicht erkannt werden; ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, denn trotz des schwachen Lichts sah Anthony sogleich, wer es war, und verlangte eine Erklärung von ihm.
Higinio Zamora Zamorano senkte den Kopf und zuckte die Schultern. «Verzeihen Sie, Don Antonio», murmelte er, ohne Anthony in die Augen zu schauen.
«Das hat doch keinen Sinn», protestierte der Engländer. «Mich um diese Zeit an diesen schmutzigen Ort zu zitieren … Ich dachte, wir hätten die Geschichte mit der Toñina ein für alle Mal erledigt.»
«Es ist nicht das, Don Antonio. Die Kleine hat damit nichts zu schaffen. Die Genossen da und ich, wir haben Sie herbestellt, um Sie umzubringen. Es tut mir leid, ehrlich, glauben Sie mir.»
«Um mich umzubringen?», sagte Anthony ungläubig. «Kommen Sie, Mann, reden Sie kein Blech. Warum sollten Sie mich umbringen? Um mich auszunehmen? Ich habe nichts bei mir. Die Uhr und …»
«Vergessen Sie’s, Don Antonio. Befehl von oben. Ich und diese Genossen da, wir sind Parteimitglieder. Und der Genosse Kolja hat uns den Befehl gegeben zu handeln, also die Essekussion auszuführen. Zum Wohle der Sache.»
«Welcher Sache?»
«Welche wird es wohl sein, Don Antonio? Die des internationalen Proletariats!»
Einer der drei anderen mischte sich ein. «Hör schon auf mit dem Sermon, Higinio. Wir sind zum Arbeiten da, nicht zum Predigen. Je rascher wir es erledigen, desto besser.»
Das sagte er ohne Verärgerung oder Härte. Ganz offensichtlich behagte keinem die ihnen aufgetragene Mission.
«Gottverdammte Scheiße, Manolo», erwiderte Higinio, «einen Mann für die Oktoberrevolution hinrichten ist eines, einen Kerl abschlachten wie ein Schwein ist ein anderes. Don Antonio da ist trotz allem kein Volksfeind, nicht wahr, Don Antonio?»
«Es ist nicht deine Sache, das Urteil zu fällen, Higinio», warf ein weiterer Genosse ein.
Anthony beschloss, die Debatte auf weniger theoretischen Boden zurückzuführen. Noch immer hielt er die Drohung für nicht ernst gemeint, aber wenn ihm diese Männer eine so vertrackte Falle gestellt hatten, mussten sie einen triftigen Grund dafür haben.
«Könnte es sich nicht vielleicht um ein Missverständnis handeln?», fragte er. «Ich weiß nicht, wer Genosse Kolja ist, und er weiß nicht, wer ich bin. Wir haben uns noch nie im Leben gesehen.»
«Das können Sie nicht wissen. Die Identität des Genossen Kolja ist ein Geheimnis. Und zudem ist das nicht der Punkt. Die Befehle des Genossen Kolja werden nicht diskutiert. Das würde noch fehlen.»
«Gut gebrüllt, Löwe», bekräftigte der vierte Mann, der bis dahin geschwiegen hatte. Bei diesen Worten sprang er von der Schachtel, auf der er gesessen hatte, und Anthony sah, dass er ein Zwerg war. Erst jetzt ging ihm auf, dass dieses Bonsaigericht, das ihn im Schnellverfahren aburteilte, keine harmlose Posse war, sondern der kurze Auftakt zu seinem Tod. Diese Vorstellung löste ein merkwürdiges Gefühl von Gelassenheit und Apathie in ihm aus. Er fand es gar nicht so schlecht, dass seine Laufbahn auf diese Art aufhörte – eine Laufbahn, die in den Hörsälen und Bibliotheken von Cambridge ihren Anfang genommen, sich in den Sälen des Prado fortgesetzt hatte und nach Jahren der Arbeit, der spärlichen Erfolge, einiger Fehlschläge und der angemessenen Dosis Hoffnungen und Phantasie nun in einem blind der Gewalt und dem Hass ausgelieferten Madrid ihr Ende fand. Und das wurde ihm von der Hand von Schurken zuteil, die aufs schönste die Wesenszüge des spanischen Barocks verkörperten.
«Einverstanden, also dann mal los», hörte er Higinio Zamora sagen. «Ich brauche nur ein paar Sekunden, um mit Don Antonio einige Details wegen seiner Beziehung zu meinem Adoptivkind klarzustellen. In
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