Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
Vom Netzwerk:
weil sie in ihrer Schwester überlegene Eigenschaften vermutete: einen ausgeprägteren Intellekt fundamentalen Fragen gegenüber, eine bessere Beherrschung ihrer Gefühle und einen Hang zum Altruismus, den sie bei sich vermisste. Unter solchen Umständen hätte Lilís Erscheinen nicht willkommener sein können: Über kurz oder lang würde die Barriere des Altersunterschieds fallen, und das hier war der geeignete Moment für die Metamorphose, umso mehr, als Paquita sah, dass ihre Schwester unversehens zur Frau geworden war und ihren Kummer verstehen konnte. «Ach, Lilí, ich befinde mich in einem schrecklichen Dilemma», sagte sie. Und als sie gegenüber dieser Zwillingsseele ihre Angst formulierte, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    Lilí umarmte die Schwester. Aus ihren Augen war jedes Anzeichen von Abneigung verschwunden, jetzt leuchteten sie in einem neuen, seltsamen Glanz, den Paquita, in ihrem eigenen Leiden befangen, nicht wahrnahm und den sie auch nicht hätte interpretieren können, hätte sie ihn denn wahrgenommen. «Komm», sagte Lilí, «setzen wir uns auf die Bank da, und du erzählst mir, was dich beschäftigt. Ich habe keine große Erfahrung von der Erwachsenenwelt, aber ich bin deine Schwester, ich kenne und liebe dich wie sonst niemanden, und das wird meine Ahnungslosigkeit wettmachen.»
    Arm in Arm gingen sie zu einer Eisenbank unter einer Pergola, fern von der Steinbank mit den noch frischen Spuren eines unpässlichen Babys. Sie setzten sich, und Paquita schüttete Lilí ihr Herz aus und erzählte alles, was der Leser grundsätzlich schon weiß: ihre Liebe zu José Antonio und die entschiedene Opposition des Herzogs gegen eine Beziehung, die für ihn von vorneherein voller Gefahren und Unannehmlichkeiten war, und die edelmütige Befolgung dieses Gebots durch José Antonio, der von der Rolle, die ihm die Geschichte bereithielt, erfüllt war und wusste, dass ihm ein vorzeitiger Heldentod beschieden war, obwohl dieser männliche Verzicht großenteils dadurch abgefangen wurde, dass er nicht nur ein Paladin des Vaterlands und ein potentieller Märtyrer, sondern ebenso ein ausgekochter Hurenbock war. Dazu kam, dass José Antonio, obwohl er den gerechten Forderungen der modernen Frau zugänglich war und in seine Doktrin eine vollendete Antwort auf das Problem aufgenommen hatte, es nur intellektuell wahrnahm. In der Praxis hätte er niemals eingewilligt, eine gesellschaftlich unzulässige Beziehung zu der Frau zu pflegen, die er liebte: Zwar in vielen Belangen ein Revolutionär, war er doch ein glühender Verfechter des altmodischen, von Spaniens Wesen nicht zu trennenden Katholizismus. So wurde Paquitas Resignation mit dem Verstreichen der Tage, Monate und Jahre zu Erbitterung und die Erbitterung zu offener Auflehnung. Als ihr der Zufall einen gutaussehenden, diskreten Ausländer, der zudem in kurzer Zeit wieder für immer aus ihrem Leben verschwinden würde, in den engen Familienkreis schickte, entwarf Paquita einen verrückten Plan.
    An diesem Punkt konnte Lilí, die ihr mit höchster Aufmerksamkeit zuhörte, einen Seufzer nicht unterdrücken. Paquita verstand ihn als Beweis der Anteilnahme; sie lächelte traurig, nahm die Hände der Schwester zwischen die ihren und versuchte, ihre kindlichen Befürchtungen zu entkräften. Entgegen jeder Annahme, erklärte sie, sei die Erfahrung nicht schrecklich gewesen. Der Engländer habe sich anständig verhalten, sei aber feurig und voll ansteckender Begeisterung gewesen. Schließlich und endlich sei das Unterfangen – und bei diesem Geständnis errötete Paquita wider Willen bis unter die Haarwurzeln – alles andere als schmerzlich und bedrückend, sondern ziemlich angenehm gewesen. «Gott möge mir verzeihen», rief sie, «und verzeih auch du mir, meine liebste Lilí, wegen des schlechten Beispiels, das ich dir gebe. Du bist noch ein Mädchen, und diese Dinge sind dir noch nicht einmal durch den Kopf gegangen. Wenn ich dir davon erzähle, dann, weil ich verzweifelt bin und sonst zu niemandem Vertrauen habe.»
    In ihren Erinnerungen verloren und bedrückt von den Folgen ihrer Tat, bemerkte Paquita nicht, wie sich Lilís Verhalten geändert hatte – sie hatte ihre Hände zurückgezogen, sich steif aufgerichtet und den Kopf leicht zur Seite geneigt, während ihre halbgeschlossenen Augen einen kalten Blick verbargen. «Das Schlimme aber», fuhr Paquita fort, «kam danach.»
    Im Bewusstsein, eine Sünde begangen zu haben, die, sollte sie plötzlich sterben,

Weitere Kostenlose Bücher