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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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großer, sauberer weiblicher Schrift beschriebenes Blatt. Der Text lautete:
    Werter Anthony,
    ich weiß, dass mein Vater und Sie heute Vormittag ein Treffen vereinbart haben, aber der vornehme Charakter, den mir unser kurzer Umgang an Ihnen festzustellen erlaubt hat, lässt mich befürchten, dass Sie nicht erscheinen werden. Bitte tun Sie es doch, es ist unbedingt nötig, dass wir uns noch einmal sehen. Nötig für mich, und wenn mich mein Instinkt und mein Verstand nicht trügen, auch für Sie.
    Aus diesem gewichtigen Grund erlaube ich mir, Ihnen zu schreiben. Unser Butler, den Sie ja kennen, wird Ihnen meinen Brief zukommen lassen, von dessen Inhalt er nichts weiß, er weiß nicht einmal, wer ihn geschrieben hat. Falls Sie ihn sehen, lesen Sie den Brief nicht in seiner Gegenwart, und fragen Sie ihn nichts. Zerreißen Sie ihn nach der Lektüre.
    Wenn Sie zu uns kommen, klingeln Sie nicht an der Eingangstür. Gehen Sie die Mauer entlang, bis Sie in der Seitenstraße zu einer schmalen Eisenpforte gelangen, die in den Garten führt. Klopfen Sie Punkt zwölf Uhr dreimal, und ich werde Ihnen öffnen. Wenn Sie kommen, versichern Sie sich, dass Ihnen niemand gefolgt ist oder Sie beobachtet. Zu gegebener Zeit werde ich Ihnen den Grund für all diese Vorsichtsmaßnahmen nennen.
    Immer voller Vertrauen in Sie,
Paquita
    Er las den Brief, ohne seine Bedeutung zu verstehen. Aber obwohl das seine ganzen Pläne über den Haufen warf, konnte er einen so dringenden Ruf nicht überhören. Er ging wieder in die Rezeption hinunter und teilte mit, er werde einen weiteren Tag im Hotel bleiben. Der Empfangschef ersetzte die vorherige Eintragung kommentarlos durch eine neue, was Anthony verdächtig vorkam – die vom Brief auferlegte Schweigepflicht und die wiederholten Warnungen alarmierten ihn über Gebühr.
    Wieder in seinem Zimmer, verwahrte er den Koffer und schloss den Schrank. Elf Uhr. Er hatte reichlich Zeit bis zu seinem Stelldichein, aber in seiner Unruhe hielt er es im geschlossenen Zimmer nicht aus, und so verließ er das Hotel. In einem Bierlokal auf der Plaza Santa Ana trank er ein Bier und verzehrte eine Portion Tintenfische, da er noch nicht gefrühstückt hatte. Dann machte er sich über Umwege auf zum Palais. Als er in die Gasse einbog, die parallel zu dessen Mauer verlief, war er sicher, dass ihm niemand gefolgt war oder dass er einen möglichen Verfolger abgeschüttelt hatte. Problemlos fand er die im Brief beschriebene Eisenpforte. Er klopfte an, und das Metall echote düster. Sogleich drehte sich der Schlüssel in dem alten Schloss, und quietschend ging das Türchen auf. Der Engländer schlüpfte hinein, und rasch schloss eine sich vor der Kälte und fremder Neugier mit einem weiten Umhang schützende weibliche Gestalt die Pforte wieder; ein Schal verhüllte auch ihre Gesichtszüge. In Paquitas tiefen, zwischen den Falten des Schals erkennbaren Augen bemerkte Anthony das fieberhafte Aufblitzen des Abenteuers. An den Knöcheln der Hand mit dem mächtigen Schlüssel sah er als Talisman einen zusammengerollten Rosenkranz.
    «Sie haben nichts zu befürchten», sagte er, «niemand ist mir gefolgt.»
    Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und flüsterte: «Pscht!» Dann nahm sie ihn sanft bei der Hand und zog ihn raschen Schrittes über den Gartenweg in Richtung Haus. Bis dahin hatte Anthony den Garten nur flüchtig aus den Fenstern des Palais gesehen. Jetzt, als er sich selbst darin befand, erschien er ihm größer und geheimnisvoller. In der Luft hing ein melancholischer Geruch nach feuchter Erde, in der die Samen überwinterten. Moosbefleckte steinerne Bänke erschienen zwischen den trockenen Myrten und den geometrisch angeordneten Rosenbeeten. Durch die kahlen Äste der Bäume sah man die Fenster des Palais, in denen sich eine mattgoldene Wintersonne spiegelte. In einem nahen Garten bellte ein Hund. Vor einer Bogentür blieben sie stehen. Paquita öffnete sie, und ein dunkler Gang tat sich auf. Vor dem Eintreten umarmte sie Anthony in einer plötzlichen Anwandlung. Er spürte die glühenden Wangen der jungen Frau und die Berührung eiskalter Lippen an seinem Gesicht. «Mein Leben befindet sich in Ihrer Hand», glaubte er durch das Murmeln des Windes zu hören. Wie waren diese Worte zu verstehen? Ein flüchtiger Gedanke, Überbleibsel seiner Besonnenheit, ging ihm durch den Kopf: In diesem Augenblick sollte ich mich auf den Weg zum Bahnhof machen. Diese Überlegung gewann die Oberhand über seine zügellosen

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