Katzenkrieg
mögliche widrige Konsequenzen zu ersparen, sondern noch etwas Wichtigeres: Wenn man uns, wie ich annehme, ausspioniert, wird, wer immer es tut, dieselben Schlussfolgerungen ziehen wie meine Familie und wie auch Sie sie bis zu diesem Moment gezogen haben mögen. Und jetzt, mein lieber Whitelands, will ich Ihnen das Bild zeigen, das Ihre Reise nach Madrid veranlasst hat. Niemand weiß von seiner Existenz, und aus den eben erwähnten Vorsichtsmaßnahmen kann ich es Ihnen auch nicht außerhalb dieses Kellers mit seinem unzureichenden Licht zeigen. Nachher werde ich noch eine weitere Lampe holen. Für den Augenblick müssen Sie sich mit einer armseligen Glühbirne zufriedengeben. Aber ich konnte dieses Gespräch nicht weiter aufschieben und länger warten, um Ihnen den Gegenstand von so viel Verwirrung und Heimlichtuerei zu zeigen.» Der Herzog verstummte, machte, ohne eine Antwort abzuwarten, auf dem Absatz kehrt und ging in den hinteren Teil des Lagerraums. Der Engländer folgte ihm, noch verwirrter als vor den Erklärungen seines Gastgebers; Paquita, die ihnen schweigend zugehört hatte, trat mit verschränkten Armen neben ihn, den Blick gesenkt und ein rätselhaftes Lächeln auf den Lippen.
An einem alten Spiegelschrank lehnte, in eine dicke braune Decke gehüllt, ein rechteckiges Objekt von halber Höhe. Mit größter Vorsicht entfernte der Herzog von Igualada die Decke, und vor den Augen des sprachlosen Engländers kam ein ungewöhnliches Bild zum Vorschein.
11
Anthony Whitelands kritzelte eine Telefonnummer auf ein Blatt in seinem Notizbuch und bat die Telefonistin des Ritz, die Verbindung herzustellen. Da er auf Englisch und Spanisch gleichzeitig stotterte, musste er seine Bitte mehrmals wiederholen. Er hatte das Hotel nicht nur wegen des Anrufs betreten, sondern auch, weil ihm der ruhige, unpersönliche Luxus des Hauses Schutz zu bieten schien. Hier fühlte er sich vorübergehend außerhalb der realen Welt. Um sich zu beruhigen und seine Gedanken zu ordnen, ging er in die Bar und bestellte einen Whisky. Danach legte sich der Wirbel in seinem Kopf, aber Anthony sah nicht klarer, welchen Weg er in dieser für ihn ganz neuen Situation einschlagen sollte. Auch der zweite Whisky beseitigte seine Zweifel nicht, bestärkte ihn aber darin, dass er das Risiko auf sich nehmen musste. Die Telefonistin, die Überspanntheiten der noblen Hotelgäste gewohnt, wählte die Nummer, wartete eine Weile und wies ihm schließlich eine Zelle an. Anthony zog sich dahin zurück, ergriff den Hörer und sagte, als er die schleppende Stimme der Sekretärin hörte: «Ich möchte mit Mr. Parker sprechen. Mein Name ist …»
«Bleiben Sie am Apparat», unterbrach sie ihn, plötzlich lebhaft.
Nach wenigen Sekunden erklang am anderen Ende Harry Parkers Stimme. «Sind Sie es?»
«Ja …»
«Sagen Sie Ihren Namen nicht. Woher rufen Sie an?»
«Aus dem Hotel Ritz, gegenüber dem Prado-Museum.»
«Ich weiß, wo es ist. Haben Sie getrunken?»
«Zwei Whisky, merkt man es?»
«Nein, natürlich nicht. Trinken Sie noch einen, bis ich komme, und sprechen Sie mit niemandem, verstanden? Mit niemandem. Ich bin in knapp zehn Minuten da.»
Anthony ging in die Bar zurück und bestellte einen weiteren Whisky, zufrieden und zugleich reuig, dass er angerufen hatte. Kaum hatte er ausgetrunken, sah er Harry Parker die Bar betreten. Bevor er seinen Landsmann begrüßte, deponierte der junge Diplomat Hut, Mantel, Schal und Handschuhe auf einem Sessel und winkte einen Kellner herbei. Als dieser kam, gab er ihm einen Geldschein und sagte: «Bringen Sie mir einen Port und diesem Gentleman noch einen Whisky. Mein Name ist Parker, wie die Füllfedern. Wenn jemand nach mir fragt, kommen Sie es mir persönlich sagen, ohne meinen Namen auszurufen. Mein Name darf unter keinen Umständen ausgerufen werden. Ist das klar?» Der Kellner steckte den Geldschein ein, deutete eine Verneigung an und ging. Dann sagte der junge Diplomat zu Anthony: «Hier überwachen alle alle: die Deutschen die Franzosen, die Japaner die Osmanen. Das ist natürlich ein Scherz. Zum Glück löst ein Trinkgeld jedes Problem zu aller Zufriedenheit. Es gibt nichts, was sich in diesem Land mit einem guten Trinkgeld nicht regeln lässt. Als ich hier neu war, habe ich das kaum verstanden, aber jetzt finde ich es ein großartiges System – man kann damit die Löhne tief halten, und zugleich inszeniert es die Hierarchie. Der Arbeiter kassiert die Hälfte, und für die andere Hälfte hat er seinem
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