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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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wirkliche Grund für die Krise im Bild liegt. Seit Jahren streite ich mich darüber mit einem englischen Experten, einem alten Cambridge-Professor, derzeit Konservator in der National Gallery. Er vertritt eine … der meinen entgegengesetzte Theorie. Er mag Frauen nicht, und vielleicht aus diesem Grund … Nun, lassen wir das. Jetzt geht es um Velázquez’ persönliche Probleme, nicht um die meinen.»
    «Vielleicht decken sie sich», sagte Paquita, «und wenn Sie mögen, können Sie sie mir erzählen. Es ist einfacher, über die eigenen Sorgen zu sprechen, als zu warten, bis Velázquez kommt und sie malt.»
    «Nein, nein, keinesfalls. Wir dürfen nicht vom Thema abkommen. Passen Sie auf, ich sage Ihnen, was meiner Meinung nach geschehen ist: 1648 beauftragt Don Gaspar Gómez de Haro Velázquez damit, eine nackte Frau zu malen, die Venus darstellt. Die eigene oder eine andere, das ist im Moment unwichtig. Velázquez nimmt den Auftrag an und malt sie, aber nicht ein-, sondern zweimal: einmal als Venus vor dem Spiegel mit sorgsam verschleierten Gesichtszügen, damit niemand sie identifizieren kann, und einmal, ebenfalls nackt, mit klar erkennbaren Zügen und ohne die Mythologie zu bemühen. Es liegt auf der Hand, dass dieses zweite Bild für ihn selbst ist. Es ist nie im Inventar von Don Gaspar Gómez de Haros Besitztümern aufgetaucht. Beim Malen dieses zweiten Bildes nahm Velázquez mehrere Gefahren auf sich. Wäre etwas von seiner Existenz bekannt geworden, hätte es einen riesigen Skandal gegeben, ja, die Inquisition hätte einschreiten können, und bestenfalls hätte Velázquez nur die Gunst des Königs verloren. Seit er nach Madrid gekommen ist und mit seinem innovativen Stil die alten Hofmaler verdrängt hat, fehlt es nicht an Feinden, die ihn zu Fall bringen wollen. Und da ist auch Don Gaspar Gómez de Haro selbst: Wenn die Beziehung des Malers mit seinem Modell die Grenzen vom Künstlerischen zum Amourösen oder etwas noch Schwerwiegenderem überschritten hat, wie das Bild annehmen lässt, ob es nun ein Porträt seiner Gattin oder seiner Geliebten ist, drängt sich eine blutige Rache auf – das Spanien Calderons hat ein ganz bestimmtes Ehrverständnis, und Don Gaspar ist mächtig. Nur eine zügellose Leidenschaft konnte einen Mann mit so gemäßigtem, ja fast apathischem Charakter wie Velázquez dazu gebracht haben, eine solche Wahnsinnstat zu vollbringen.»
    In seiner Erregung hatte er die Stimme erhoben und machte nun eine Pause, um sich wieder zu fassen. Paquita beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn und trauerumflortem Blick. Ohne es zu beachten, fuhr sich Anthony mit der Hand übers Gesicht und sprach weiter: «Das wusste Velázquez, und da er intelligent war und begriff, dass seine Leidenschaft nirgends hinführte, beschloss er, sich aus dem Staub zu machen. Es fiel ihm nicht schwer, Philipp IV. zu überreden, ihn mit einer Aufgabe nach Italien zu entsenden, und nach Italien ging er denn auch auf Anordnung des Königs – und das zweite Bild nahm er mit.»
    «Ein kümmerlicher Ersatz», sagte Paquita.
    «Besser als gar nichts. Zudem verschmolzen für Velázquez Wirklichkeit und Malerei oft, aber das ist ein weites Feld. Jedenfalls ließ er nach seiner langen Abwesenheit, als sich die Leidenschaft abgekühlt hatte, das kompromittierende Bild in Italien zurück, wahrscheinlich in Rom. Irgendwann eignete es sich jemand an, brachte es nach Spanien, und jetzt ist es da, wenige Meter von dieser Cafeteria entfernt, und wartet …»
    «… darauf, dass Anthony Whitelands es der ganzen Welt vorführt», ergänzte Paquita.
    Diesmal erreichte es der Ton ihrer Stimme, den Engländer zu warnen.
    «Natürlich müssen noch einige Details geklärt werden», sagte er. «Sind Sie böse?»
    «Ja, aber nicht Ihnen. Alle Männer, die mir über den Weg laufen, sind Visionäre, und ich habe es satt. Aber lassen wir das jetzt. Wichtig bin nicht ich, sondern Velázquez.»
    Ihre Stimme brach, und als hätte etwas ihre Aufmerksamkeit erregt, wandte sie mit einer schnellen Kopfbewegung das Gesicht ab. Verwirrt durch diesen raschen Wandel, wusste Anthony nicht, wie er reagieren sollte. Nach einigen Sekunden wandte sie ihm wieder das Gesicht zu und sagte mit feuchten Augen, aber heiterer Stimme: «Gestern, vor dem Christus von Medinaceli, habe ich Sie gebeten, dieses Bild nicht zu beglaubigen. Da dachte ich noch, ich würde Ihnen dafür etwas Wertvolles anbieten. Jetzt sehe ich, dass ich für Sie weniger wert bin als das Bild oder

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