Katzenmond
Foto von Feldmeyers Hausboot. Wenn Kaiser sich mit der Absicht trug, das Boot zu kaufen, und mit ihm in Verhandlungen stand, warum behauptet Feldmeyer dann, ihn nicht zu kennen?«
Draußen empfing sie leichter Nieselregen. Simon, der seine Jacke im Amt gelassen hatte, strebte eilig dem Besucherparkplatz vom St. Josefs-Krankenhaus zu, wo Liebermann den Wagen abgestellt hatte.
»Kaiser könnte telefonisch mit ihm verhandelt haben«, schlug er im Laufen vor. »Oder er hat einen Unterhändler geschickt. Und was die Mails angeht: Vielleicht hat er ja wirklich seine Joggingpausen zum Schreiben genutzt. Hinterher hat er sie im Vertrauen darauf gelöscht, dass seine Frau, wenn überhaupt, höchstens in den Ein- und Ausgängen stöbern würde.«
»Meiner Erfahrung nach stöbert eine eifersüchtige Frau überall herum.« Liebermann blieb stehen und bohrte sich die Finger in die Schläfen. »Dieser Fall macht mich verrückt, Simon. Mir kommt es vor, als würden wir unentwegt Geld in einen einarmigen Banditen stecken und gewinnen. Aber bei genauerem Hinsehenstellt sich heraus, dass die gewonnenen Münzen samt und sonders löchrig sind. Vivian Kaiser hatte ein Motiv, ihren Mann umzubringen, aber keine Gelegenheit. Constanze van Hoefen hatte vielleicht beides, aber leider ist sie tot, womit gleichzeitig auch David aus dem Rennen ist.«
Er winkte ab, als Simon den Mund öffnete. »Eine Theorie, die auf einem Bild in ihrem Zimmer fußt und mit ihrem Tod im Abfluss versickert ist. Constanze van Hoefen war ein attraktives Mädchen und David Kühn ein junger Mann, der sich von Berufs wegen häufig in ihrer Nähe aufhielt. Eine solche Konstellation ließ durchaus ein paar Vermutungen zu. Allerdings fällt mir außer Nekrophilie kein triftiger Grund ein, aus dem David nach dem Mord an seinem Nebenbuhler auch noch die heimliche Geliebte hätte umbringen sollen. Bleibt also Bruder Joseph mit seinem Wissen um Ziergehölze, dessen Augen umgekehrt auf der ebenso schönen Vivian ruhen. Aber auch hier haben wir wieder nur einen Kandidaten für Kaiser. Sagen Sie mal, wollen Sie hier anwachsen, oder was? Es regnet!«
Simon murmelte etwas und stieg ins Auto.
»Und zu guter Letzt haben wir noch den Tomatengärtner«, fuhr Liebermann fort, während er an seinem verklemmten Gurt zerrte. Nach wenigen Versuchen gab er es auf und startete den Motor. Der BMW rutschte röhrend ein Stück vorwärts. Wortlos löste Simon die Handbremse.
»Danke. Feldmeyer unterhält Geschäftsbeziehungen mit der Möwe, wir können also davon ausgehen, dass er über deren Wochenangebote Bescheid weiß. Auch an Gelegenheiten zum Morden mangelt es ihm kaum, dafür aber an einem Motiv.«
»Kaiser wollte ihm das Boot wegnehmen«, erinnerte Simon.
Liebermann schüttelte den Kopf. »Er wollte es kaufen. Feldmeyer hätte einfach ablehnen können, wenn ihm der Handel nicht gepasst hätte, es sei …«, er brach ab und sprang auf die Bremse. Schlitternd kam der BMW vor einer Ampel zum Stehen.
»Wie spät ist es?«
»Zehn nach eins«, antwortete Simon nach einem Blick zur Uhr.
Liebermann versank in Schweigen. Simon nutzte die Pause, um sein feuchtes Hemd auf den Rücksitz zu werfen. Ein einsamer Rentner tastete sich in Zeitlupentempo an ihnen vorbei.
»Woran denken Sie?«
»An den Fall«, erwiderte Liebermann und begann einen leichten Rhythmus auf dem Lenkrad zu trommeln. »Ich blättere ihn so durch, während wir warten. Im Moment frage ich mich, was an Feldmeyers rechtem Ohr geglitzert haben mag, als ich ihn letztens wegen einiger Tomaten aufsuchte. Als ich hinsah, nahm er es ab. Des Weiteren denke ich an die Witwe.«
Er hörte auf zu trommeln. »Wissen Sie, wo sich dieses Sprachlabor befindet, in dem sie zur Mordzeit war, Simon?«
»Schopenhauerstraße Ecke Luisenplatz«, antwortete Simon wie aus der Pistole geschossen. Er wich erschrocken zurück, als Liebermann zu ihm herumschnellte. »Warum sagen Sie das nicht gleich?«
»Sie haben … Oberkommissar Müller hat …«
»Vivian Kaisers Alibi ist nur einen Katzensprung von ihrer Wohnung entfernt! Mit dem Auto noch mal fünf Minuten bis zum Fundort der Leiche!«
»Ja, und?«, stotterte Simon. »Aber schließlich konnte sie sich ja nicht zerreißen.«
Liebermann schüttelte heftig den Kopf. »Offenbar haben Sie keine Ahnung, wie ein solcher Test abläuft. Ich schon, meine damalige Frau hat mit meiner Tochter vor Jahren mal an einer Langzeitstudie teilgenommen. Ich glaube, es ging um Intonationen. Egal, das
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