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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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hörte,stutzte er. Sie passte weder zur Robustheit der Schuhe noch zu deren Größe. Neugierig schob er den Kopf aus seinem Versteck. Im nächsten Moment jagten schlurrende Schritte ihn wieder zurück. Es bedurfte keines besonderen Riechers, um zu erkennen, wem sie gehörten.
    Die Häute des Kahlkopfs stanken beinahe noch schlimmer als die Stiefel, in die sie mündeten. Serrano atmete, so flach er konnte, und konzentrierte sich auf die Stimmen. Hell auf der einen, schartig auf der anderen Seite.
    Der Kahle bewegte sich. Wieder erhaschte Serrano einen Blick auf die Schuhe des anderen. Laubbraun, Leder, nichts Besonderes, wenn man davon absah, dass Schuhe dieser Farbe für gewöhnlich mit dunklen Sohlen einhergingen. Diese hingegen betteten sich auf geschmeidigen weißen Gummi. Im Gegensatz dazu klangen die Schritte des Kahlkopfs wie die Endzeit. Serrano schrak zusammen, beruhigte sich aber sogleich wieder. Nur der Kasten hatte sich geöffnet. Knistern, wieder Worte. Die geschmeidigen Schuhe entfernten sich, bald darauf entfernten sich auch die Stiefel des Kahlkopfs.
    Serrano wartete noch eine Weile, dann wagte er sich aus seinem Versteck. Ein paar Meter voraus lockte, verborgen hinter einer großen Kiste, die Freiheit in Form des Türspalts. Irgendwo hinter ihm befanden sich die Katzenjungen. Leider kündeten verhaltenes Klappern und Brummen dort auch von der Anwesenheit des Kahlkopfs. Unentschlossen strich Serrano um die Kiste herum. Es war ein gewöhnlicher Pappkarton, wie sie sich häufig neben Mülltonnen und in Kellern fanden. Serranos Erfahrung nach enthielten sie entweder gar nichts oder schutzbedürftige Gegenstände. Von diesem war auf der Vorderseite ein Stück Pappe heruntergeklappt und gab den Blick frei auf – Tüten. Sorgsam übereinandergeschichtet, wirkten sie auf den ersten Blick wie blaue Blöcke, die jemand mit goldenen Zeichen bemalt hatte.Obgleich ihn Simon zuvorkommend auf die Bushaltestelle neben der Wache des LKA hingewiesen hatte, ging Liebermann zu Fuß nach Hause. Jeder knirschende Kiesel unter seinen Sohlen vergrößerte den Abstand zu Oberkommissar Müller und seiner zornigen Sorgfalt, zum spülmaschinenfesten Geschirr der Polizeikantine, dem einsamen Kaktus auf dem Fensterbrett, mit einem Wort: seiner Zukunft. Er brauchte Trost. Und er hoffte, ihn unter Linden zu finden. Denn im Gegensatz zu seiner Zukunft liefen die Linden schnurgerade auf ein Ziel zu. In diesem Fall den Park. Dort wurden sie zunächst von Splitt und dann wiederum von etwas jüngeren Linden abgelöst, die den parkeigenen Lieferweg säumten. Das Kinn gesenkt, eilte Liebermann ihn entlang, durch das Kuhtor, bog von der Lenné- in die Ossietzkystraße ein und hielt endlich vor dem Hortgebäude der Grundschule.
    Einige Minuten lang betrachtete er dessen stabile rote Ziegel. Dann lief er weiter in Richtung Havel.
    Außer dem zertretenen Rasen am Ufer, zwei überquellenden Papierkörben und einem Schnipsel Absperrband auf dem Weg erinnerte dort nichts mehr an den Aufruhr vom Vormittag. Wie je wippten die Hausboote friedlich auf dem Wasser. Frank hatte, ungeachtet der spärlichen Spaziergänger, seine Liegestühle herausgetragen und war dabei, sie aufzuklappen, während er einem Menschen in Gummistiefeln zuhörte, der gestikulierend auf ihn einredete. Liebermann fiel auf, dass er dabei mehrmals zu dem mittleren der drei benachbarten Boote zeigte. Neugierig geworden, schlenderte er der Strandbar entgegen. Eigentlich hatte er den Weg zur Havel weniger zum Schwatzen als aus Gründen der Erholung genommen, vielleicht auch, um den von Otto entsandten Tauchern zuzusehen. Aber Letztere waren entweder bereits abgerückt, oder sie trieben still im Wasser, jedenfalls geizten sie mit Zeichen ihrer Anwesenheit. Der Typ da vorn nicht. Während er näher kam, überlegte Liebermann, welches Thema wohl nach einer derartig physischen Untermalung verlangte.
    Noch ehe er nahe genug war, um es festzustellen, verabschiedete sich der gestiefelte Pantomime von Frank mit einem Schulterschlag, der eine mittlere Kiefer zu Boden gestreckt hätte, und marschierte von dannen. Wobei »von dannen« an dem Steg endete, der zum mittleren der Hausboote hinüberführte, und damit genau vor Liebermann. Liebermann nickte ihm zu und lächelte.
    »Wollen Sie was kaufen?«, fragte der andere, indem er sich das Kinn kratzte, die einzige Stelle unterhalb der Augen, die, vielleicht dank eines Rasierunfalls, bartfrei war. »Ansonsten weise ich Sie darauf hin, dass Sie

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