Katzensprung
jugendlichen Aussehens und
seiner Neigung zum Rotwerden als Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter der
Mordkommission nicht immer ernst genommen wurde. Er hatte sich zwar ein
forsches Auftreten antrainiert, dennoch kämpfte er mit seinem Bubi-Image und
hatte vor allem bei den älteren Kommissaren keinen leichten Stand.
Bauer verdankte seinen Aufstieg einerseits seinen hervorragenden
analytischen Fähigkeiten, andererseits seiner kompromisslosen Haltung, die er
zum ersten Mal bewiesen hatte, als vor rund fünfzehn Jahren vor allem dank
seiner Hartnäckigkeit ein Korruptionsskandal großen Ausmaßes im Wuppertaler
Rathaus aufgedeckt worden war. Die entscheidenden Hinweise auf den Skandal
hatte damals die Fraktionsangestellte der Grünen Filiz Günaydinlar gegeben, die
Bauer später heiratete.
»Leg los, Olga«, sagte er.
Olga berichtete, dass der Kneipenwirt Emilio Sassi unstrittig in
einem intimen Verhältnis zu dem Opfer gestanden, anfänglich aber behauptet
habe, es sei seit einem halben Jahr vorbei. Nach der Konfrontation mit von ihm
stammenden Spermaspuren habe er zugegeben, dass er am Mittwoch vor der Tat noch
einmal mit ihr zusammen gewesen sei, allerdings mehr oder weniger gegen seinen
Willen.
Es sei ein Abend gewesen, an dem er viel getrunken habe, und es habe
ihm so wenig bedeutet, dass er es verdrängt habe. Er bezeichnete das Verhältnis
von seiner Seite aus als oberflächlich, Frau Wenkler sei ihm nachgelaufen und
habe es ihm leicht gemacht.
»Sassi ist bemüht, seine Ehefrau Gertrud Sassi von dem Fall
abzuschirmen«, sagte Olga. »Sie macht ihm wohl die Hölle heiß, was ja mehr als
verständlich ist. Uns gegenüber gibt Sassi sich kooperativ, er scheint eine
Riesenangst um seine Ehe zu haben.«
»Das soll er wohl bei so einem Verhalten.«
Fischbein äugte über seine Brillengläser. »Und die Ehefrau?«
»Wir haben nicht den Eindruck, dass sie ihn decken will, sie ist
sehr aufgebracht. Am Morgen des Tattages bekam sie einen Anruf von Frau
Wenkler, in dem diese sie aufforderte, ihren Mann freizugeben, darauf folgte
wohl ein massiver Streit des Ehepaars. Für den Tatabend gibt Frau Sassi ihrem
Mann allerdings ein Alibi, er sei nur mal am frühen Abend zwischen sechs und
acht weg gewesen, um seine Kneipe aufzuschließen. Das bestätigen auch die
Tochter und der Angestellte des Herrn Sassi, den wir vernommen haben. Im
Anschluss war er offenbar den ganzen Abend zu Hause. Auffällig ist bei diesem
Alibi, dass es nach Frau Sassis Erinnerung seit vielen Jahren der erste Abend
war, an dem er sozusagen freiwillig und relativ grundlos – wenn man von dem
Anruf Frau Wenklers am Morgen absieht – zu Hause war.«
»Das gibt natürlich zu denken«, warf Fischbein ein. »Und wir haben
schon Morde gesehen, die in weniger als einer Stunde erledigt wurden. Seit wann
war die Ehefrau im Bilde über die Freundin?«
»Seit einem Jahr, es muss deshalb ständig Streit gegeben haben. Das
sagte mir die pubertierende Tochter Luna Sassi, die aus dem Ruder zu laufen
scheint, sie hat sich eine Glatze rasiert und ist wohl ziemlich renitent.«
»Dann hätte Frau Sassi also auch ein Motiv.«
»Ja, ein starkes sogar, sie erschien uns sehr eifersüchtig und
verletzt. Wir behalten die Familie natürlich im Auge, wir müssen uns auch die
Tochter noch mal vornehmen. Fakt ist, dass Frau Wenkler in den Tagen vor der
Tat Herrn Sassi massiv über das Handy bedrängt hat, sie hat zahllose SMS geschrieben und versucht, ihn anzurufen, aber er
ist wohl nicht drauf eingegangen. Der Server hat in dieser Phase keine Anrufe
an sie aufgezeichnet, und davor auch nur sehr spärlich. Insofern erscheint das,
was er sagt, glaubhaft.«
»Wir konnten das Handy übrigens nicht orten«, sagte Stefan Bauer,
»jemand muss es ausgeschaltet haben, entweder sie selbst oder der Täter.«
Lepple fasste die Erkenntnisse zum Opfer zusammen, den hohen
Alkoholkonsum und die Probleme in der Schule, die Vermutung mit dem
Ansagedienst, den die Lehrerin geäußert hatte, den generellen Eindruck, dass
Ramona Wenkler dabei gewesen war, abzurutschen.
»Könnte es nicht sein, dass sie ihre Attacken auf Sassi so verstärkt
hat, dass ihm irgendwie die Pferde durchgegangen sind?«
»Der Angestellte sagt, Herr Sassi habe sich am Abend der Tat
möglicherweise eine gute Stunde in der Kneipe aufgehalten, genau wusste er es
nicht. Der Weg vom Wichlinghauser Markt zu seiner Wohnung in der Ottostraße
dauert etwa zehn Minuten, wir haben das gecheckt.«
»Da bliebe eine
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