Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch
Tischtennisplatte, sahen Mr. Mazappa beim Klavierunterricht im Ballsaal zu, machten ein kurzes Nickerchen, plauderten mit dem einäugigen Zweiten Purser – und betrachteten beim Vorbeigehen genauestens sein Glasauge – und besuchten für eine Stunde oder länger Mr. Fonsekas Kabine. All diese zufälligen Bewegungsmuster wurden so vorhersagbar wie die Schritte einer Quadrille.
Für uns war es eine Zeit ohne die Segnungen der Fotografie, und deshalb entzieht die Reise sich jedem dauerhaften Erinnern. Ich besitze nicht einmal einen unscharfen Schnappschuss aus der Zeit auf der Oronsay , der mich daran erinnern könnte, wie Ramadhin auf der Reise wirklich aussah. Ein verschwommener Sprung in das Schwimmbecken, ein weiß eingehüllter Leichnam, der aus der Luft ins Meer fällt, ein Junge, der sich in einem Spiegel sucht, Miss Lasqueti, die in einem Liegestuhl schläft – das sind nur Bilder aus der Erinnerung. Auf dem Oberdeck, in der Luxusklasse, hatten manche Passagiere Boxkameras, und sie wurden regelmäßig in ihrem eleganten Aufzug verewigt. Am Katzentisch zeichnete Miss Lasqueti ab und zu etwas in ein gelbes Notizbuch. Vielleicht hat sie einige von uns gezeichnet, aber wir waren nie neugierig genug, sie zu fragen, weil wir niemandem in unserer unmittelbaren Umgebung künstlerische Neigungen zutrauten. Sie hätte genausogut Porträts von uns stricken können, indem sie für jeden von uns verschiedenfarbige Wolle verwendete. Unser Interesse war größer, als sie ihre Taubenjacke anzog und uns zeigte, wie sie auf Deck herumspazieren konnte mit mehreren Vögeln in den wattierten Taschen der Jacke.
Was wir anstellten, war nicht auf Dauer angelegt. Wir entdeckten lediglich, wie lange unsere Lunge die Luft anhalten konnte, wenn wir am Boden des Schwimmbeckens hin und her flitzten. Weil unser größtes Vergnügen darin bestand, dass Cassius und ich zusammen mit Konkurrenten in das Becken tauchten, wenn ein Steward hundert Löffel ins Wasser warf, und wir so viele Löffel wie möglich mit unseren kleinen Händen sammelten, im Vertrauen darauf, dass wir es immer länger unter Wasser aushalten konnten. Man sah uns zu und feuerte uns an und lachte über uns, wenn unsere Badehosen rutschten, während wir wie amphibische Fische mit dem Besteck in Händen aus dem Becken kletterten und es dann an die Brust pressten. »Ich liebe alle Menschen, die tauchen«, schrieb Melville, der große Meeresüberquerer. Und hätte ich mich damals irgendwann im Verlauf jener einundzwanzig Tage für eine Laufbahn entscheiden müssen, hätte ich gesagt, ich wollte für den Rest meiner Tage ein Taucher unter vergleichbaren Umständen sein. Ich wäre damals nie auf den Gedanken gekommen, dass es einen solchen Beruf, ein solches Gewerbe gar nicht gab. Fast als wären sie Teil des Elements, warfen unsere schlanken Körper den Schatz ab und flitzten zurück, um noch mehr zu holen, jagten unter Wasser nach den letzten Löffeln. Nur Ramadhin, der sein zauderndes Herz schützte, konnte nicht mitmachen. Aber er feuerte uns an, wenn auch leicht gelangweilt.
Diebisches Treiben
EINES MORGENS ÜBERREDETE MICH JEMAND , den wir als Baron C. kannten, dazu, ihm bei einem Vorhaben zu helfen. Er benötigte einen kleinen, athletischen Jungen, und er hatte mich dabei beobachtet, als ich im Schwimmbecken nach Löffeln getaucht hatte.
Als erstes lud er mich in einen Salon der ersten Klasse zum Eisessen ein. Dann forderte er mich in seiner Kabine auf, meine Sandalen auszuziehen und zum Beweis meiner Gewandtheit auf die Möbel zu klettern und so schnell ich konnte das Zimmer zu umrunden, ohne den Boden zu berühren. Das fand ich eigenartig, aber ich sprang vom Sessel auf den Schreibtisch und von dort auf das Bett und hangelte mich an der Tür entlang zum Badezimmer. Verglichen mit meiner Kabine war es eine ziemlich große Kabine, und nach einigen Minuten stand ich barfuß auf dem dicken Teppich und hechelte wie ein Hund. Woraufhin der Baron eine Kanne mit Tee zum Vorschein brachte.
»Tee aus Colombo, nicht vom Schiff«, sagte er, während er Kondensmilch in die Tasse goss. Dieser Mann kannte sich mit Tee aus. Bislang hatten wir auf dem Schiff ein Gebräu bekommen, das wie Spülicht schmeckte, und ich trank es nicht mehr. Tatsächlich verzichtete ich von da an jahrelang auf Tee. Aber der Baron gab mir meine letzte gute Tasse Tee zu trinken. Er servierte ihn in ganz kleinen Tassen, so dass er mir an jenem Tag mehrmals nachschenken musste.
Der Baron erklärte mir, ich
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