Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch
– als wäre das Wasser noch gar nicht erfunden worden. Die einzige Flüssigkeit war die Tasse dunklen Tees, die uns der Teppichverkäufer angeboten hatte, begleitet von einer köstlichen, nie vergessenen Süßigkeit aus Mandelpaste. Obwohl Aden eine Hafenstadt war, enthielt die Luft fast keine Feuchtigkeit. Man musste genau hinsehen, um zu erkennen, was in einer Tasche verschwinden würde – eine kleine Phiole Haaaröl für Frauen, in Papier gewickelt, oder ein Meißel, in Wachstuch eingeschlagen, damit die Spitze vor dem Staub in der Luft geschützt war.
Wir betraten ein Betongebäude am Meer. Ramadhin ging voran durch ein Labyrinth weitgehend unterirdischer Becken. Bis auf eine Handvoll Röhrenaale aus dem Roten Meer und ein paar farblose Fische, die in einem dreißig Zentimeter hohen Salzwassertümpel herumschwammen, schien das Aquarium verwaist zu sein. Cassius und ich stiegen in ein höheres Stockwerk, in dem ausgestopfte Meereslebewesen im Staub neben Werkzeugen und Geräten wie einem Gartenschlauch, einem kleinen Generator, einer Handpumpe und einer Kehrschaufel mit Bürste lagen. Wir widmeten der ganzen Anlage fünf Minuten und besuchten noch einmal alle Läden, in denen wir gewesen waren, diesmal zum Abschied. Der Barbier, der noch immer keine andere Kundschaft hatte, massierte mir den Kopf und tränkte meine Haare mit unbekannten Ölen.
Wir erreichten den Kai vorzeitig. Aus verspäteter Rücksichtnahme wollten wir dort auf Mr. Daniels warten, Ramadhin in eine Dschellaba gehüllt, Cassius und ich mit verschränkten Armen zusammengekauert in der frischen Brise, die vom offenen Meer hereinwehte. Die Kähne schaukelten im Wasser, und wir versuchten zu erraten, welche darunter Piraten gehörten, denn ein Steward hatte uns erzählt, hier gebe es viele Seeräuber. Eine geöffnete Hand hielt Perlen empor. Die Fische des nachmittäglichen Fangs, die sich zu unseren Füßen häuften, farbenfroher als ihre Vorfahren im Aquariumbecken, funkelten, wenn Eimer voll Wasser über sie geleert wurden. Die Gewerbe an diesem Vorgebirge gehörten zum Meer, und den Händlern um uns herum mit ihrem Gelächter und Gefeilsche gehörte die Welt. Wir begriffen, dass wir nur ein kleines Stückchen der Stadt gesehen hatten, nur einen Blick durchs Schlüsselloch auf Arabien geworfen hatten. Wir hatten weder die Zisternen gesehen noch den Ort, wo Kain und Abel begraben waren, doch es war ein Tag des aufmerksamen Zuhörens und sorgfältigen Beobachtens gewesen, an dem wir uns nur in Gebärdensprache verständigt hatten. Draußen über Steamer Point beziehungsweise Tawahi, wie die einheimischen Schiffer den Hafen nannten, begann sich der Himmel zu verfinstern.
Schließlich sahen wir Mr. Daniels mit großen Schritten den Kai entlangkommen. Er trug eine sperrige Pflanze in beiden Armen und wurde von zwei schmächtigen Männern in weißen Anzügen begleitet, die jeder eine winzige Palme trugen. Er begrüßte uns fröhlich – offenbar hatte unser Verschwinden ihn kaum oder überhaupt nicht beunruhigt. Seine schmächtigen schnurrbärtigen Helfer sagten kein Wort, doch als einer von ihnen mir seine kleine Palme übergab, wischte er sich den Schweiß vom Gesicht und zwinkerte mir lächelnd zu, und ich sah, dass es Emily in Männerkleidung war. Neben ihr stand, ähnlich verkleidet, Miss Lasqueti. Cassius nahm ihr die Palme ab, und wir brachten die Pflanzen auf den Kahn. Ramadhin stieg mit uns ein und saß während der zehnminütigen Überfahrt in seinen Umhang gehüllt vornübergebeugt da.
Sobald wir an Bord waren, eilten wir drei zu Ramadhins Kabine hinunter, wo er seine Dschellaba öffnete und der Hund des Händlers zum Vorschein kam.
Eine Stunde später gingen wir an Deck. Es war schon dunkel, und die Lichter auf der Oronsay leuchteten heller als die an Land. Das Schiff hatte noch nicht abgelegt. Im Speisesaal unterhielten die Leute sich laut über die Erlebnisse des Tages. Nur Ramadhin, Cassius und ich hielten den Mund. Wir waren so aufgeregt, den Hund an Bord geschmuggelt zu haben, dass wir wussten: wenn wir auch nur ein Wort sagten, würde die ganze Geschichte unweigerlich aus uns heraussprudeln. Die vergangene chaotische Stunde hatten wir versucht, den Hund in Ramadhins enger Duschkabine zu baden und uns dabei nicht von ihm kratzen zu lassen. Zweifellos hatte das Tier in seinem bisherigen Leben noch nie mit Karbolseife zu tun gehabt. Wir hatten den Hund mit Ramadhins Bettlaken abgetrocknet und in der Kabine eingesperrt, als wir
Weitere Kostenlose Bücher