Kau Dich gesund
produziert, daß es sich im Mund genauso verhält wie vorgegeben.«
Dem Menschen wird unterschlagen, daß er einen eigenständigen, intelligenten, funktionierenden Organismus besitzt. Er wird behandelt wie ein Automat.
Man könnte diese Art zu essen auch als den fremdgesteuerten Bissen im Mund bezeichnen. (Was zu unserem technokratischen Zeitgeist ja gut paßt.)
Das größte Verbrechen ist aber, daß durch Zusatzstoffe der Speichelfluß appetitsteigernd erhöht wird. Das wahre Geschmacks-Erlebnis, das bei einfacher, normaler Kost schon allein übers Kauen entstehen würde, wird dem Menschen bei der vorverdauten Designer-Kost regelrecht »gestohlen«. Denn der (Kunst-)Geschmack ist sofort voll entwickelt vorhanden; wenn auch künstlich, so ist der Unterschied zum Original kaum wahrnehmbar.
Design bestimmt das (Eß-)Bewußtsein.
Zeitgeist führt beim Essen die Regie.
Sicher hast Du Dich vor dem Bildschirm schon einmal köstlich amüsiert, wenn man die lieben Mitmenschen reingelegt hat bei Sendungen wie »Verstehen Sie Spaß«, neuerdings mit Frank Elstner als Moderator. Kannst Du auch noch herzlich lachen, wenn ich Dir verrate, daß Du selbst am laufenden Band verladen wirst? Zwar nicht von der Fernsehindustrie, aber längst als dankbares, treues und abhängiges Opfer der Lebensmittel-Diät- und Light-Food-Industrie. Mit jedem Bissen dieser Produkte führt man Dich vorsätzlich hinters Licht!
Wissenschaftsjournalist Udo Pollmer klagt zu recht:
»Was soll Ernährungsberatung, die empfiehlt, von der Schokolade täglich nur zwei Stückchen zu genießen und dann einfach aufzuhören? Wo doch jeder weiß, daß die Mehrzahl der Menschen nicht mehr aufhören kann, bis die Tafel weggeputzt ist. Dem Opfer wird prompt Willensschwäche vorgehalten. Daß Spezialisten vorher genau analysierten, wieman es anstellen muß, daß der Mensch nicht mehr aufhören kann, wird verschwiegen. Und wer ahnt schon, daß die zahllosen ›Light-Genüsse‹ vor allem seinen Geldbeutel erleichtern? Während die Kundschaft schuldbewußt Kalorien zählt, erforschen Profis, wie bei Kindern Nachdurst erzeugt werden könnte, damit sie mehr Limonade trinken. Unser Körper ist mit ständig wechselnden Designerprodukten konfrontiert, die unaufhörlich versuchen, seine Rückkoppelungs-Systeme zu ›linken‹.« (aus: Pollmer, »Krank durch gesunde Ernährung«)
Unphysiologische Nahrung (im Klartext: aromatisierter Schrott) betrügt die Menschen, bringt sie immer mehr auf die falsche Fährte, macht sie zu Eß-Süchtigen (zu dick oder zu mager), auf jeden Fall krank. Die Speichelkraft reagiert nicht mehr auf normale, gesunde, unverdorbene Kost, nur noch auf die Geschmacksverstärker der Food-Designer. Die Speicheldrüsen verlieren dadurch ihre beschützende Funktion und verkümmern schließlich durch die damit verbundene Inaktivität der Kaumuskeln total.
»Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode!« – Shakespeare
Die Nachfrage bestimmt die Produktion. Erinnern wir uns, daß der Nahrungstrieb in der Triebhierarchie ganz oben steht: Essen rangiert gleich hinter Atmen und noch vor dem Sex. Hier eine Verhaltensänderung herbeizuführen ist nur übers Lustgefühl möglich. Schließlich will sich jeder Mensch wohl fühlen. In unserer modernen Zeit besorgt er sich dieses gute Gefühl meistens über (Genuß-)Gifte.
Es gibt daher keine vorsätzliche Freßsucht, höchstens einen unter Zwang stehenden, von der Industrie »vergewaltigten« Schlinger.
Dr. von Borosinis Lehrsatz »Es hat jeder nur solange Appetit, als er Mundspeichel besitzt« stimmt zwar nach wie vor, kann allerdings nur auf unverbildete, unverdorbene Lebensmittel bezogen werden. Der »Schund« schmeckt gar nicht mehr, wenn wir schmauen; wenn wir uns mit dem knackigen, lebendigen Nahrungsmittel auseinandersetzen. Jeder Bissen schenkt uns dann eine neue faszinierende, geschmackvolle Herausforderung, die uns immer gesünder macht.
»Ein Organismus, der sich gesund entwickeln will, ist nicht nur auf lebendige Nahrung angewiesen, sondern vor allem auch auf die Ganzheit der lebendigen Auseinandersetzung damit.«
Dr. Loeckle spricht mir aus dem Herzen! Damit ist die richtige Vorbereitung der Speisen im Mund, die Mundverdauung gemeint, das Ausschmecken, das Schmauen! Also her mit dem Bissen, nicht um ihn mit Gier hinunterzuschlingen, sondern um ihn mit Gier im Mund auseinanderzunehmen. Es ist die Sch(il)ling-Methode, die jeden Food-Designer verdammt schlecht aussehen läßt.
Sei ein Herkules
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