Kau Dich gesund
Leseratte, weil er bei dieser seiner Lieblingsbeschäftigung total abschalten konnte. Nicht einmal der allergrößte Lärm hatte eine Chance, ihn von seiner Konzentrationzum Lesestoff wegzuholen. Es konnte um ihm herum passieren, was wollte, Onkel Erwin blieb partout mit all seinen Gedanken und Gefühlen beim Inhalt seines Buches oder seiner Zeitung. Wenn man ihn bei seiner tiefen Versenkung, pardon: beim Lesen etwas fragen wollte, mußte man ihn regelrecht anschreien, bis er überhaupt reagierte.
Der gute, konzentrierte (dynamische) Leser zeichnet sich ja darin aus, daß er mit der Zeit eine Technik (Dynamik) entwickelt, die es ihm ermöglicht, trotz hohem Lesetempo sogar noch mehr Inhalte aufzunehmen und auch zu »verdauen«, als der nicht geübte – und dadurch unkonzentrierte – Leser. Fast genauso verhält es sich beim dynamischen Kauen, beim Schmauen.
Jede Party, jede Gesellschaft, jede Unterhaltung ist der neuen Kau-Technik also nicht abträglich. Trotz aller dort ablenkenden Reize (die man ja auch nicht missen möchte), ich spüre meinen Bissen in jedem Augenblick genauso stark, als wäre ich mit ihm alleine. Und ich kann den Genuß daran durch meine Technik unbegrenzt ausdehnen, ich kann ihn vergrößern, verlängern, vermehren, verstärken … unendlich … es ist so schön!
Ich brauche in der Welt keine Genüsse mehr zu suchen. Ich habe durch das richtige Kauen schon den ganzen Kosmos, die Glückseligkeit auf meiner Zunge.
Aber um mein Erlebnis bei Georg Lohmeiers Dreharbeiten zur ZDF-Serie »Ora et Labora« auf Schloß Andechs noch abzuschließen. Mit welcher unsagbaren Freude und mit welchem Genuß kaute ich dann nach Drehschluß bei mir zu Hause mein Abendessen. Und ich feierte meinen Geburtstag gebührend nach. Stimmungsvoll, feuchtfröhlich, die edlen Speichelsäfte hatten ihre reinste Freude dran und flossen umso gewaltiger. Und meine Geschmacksempfindungen waren nicht mehr zu bremsen, gingen ins Euphorische. Freude und gute Stimmung, wie fördert dieses Liebespärchen doch zusätzlich unsere Verdauung, unsere Gesundheit, unsere Lebensqualität. Und jetzt hatte ich endlich Zeit.
Ein ganzes Imperium von Zeit im Gegensatz zum hektischen Drehort in Andechs. Ich war entspannt und glücklich wie noch nie.
Bis heute habe ich diesen gemütlichen, gut gelaunten Abend an meinem Geburtstag nicht vergessen. Mein Essen bestand aus einfachster Kost. Aber keine noch so ausgefallene Delikatesse hätte mich an diesem Abend mehr begeistern können. Wie formulierte es mal der Dichter Rabindranath Tagore so weise:
»Am reichsten sind die Menschen, die auf das meiste verzichten können.«
Ich war an diesem Abend der reichste Mensch auf dieser Welt. Nicht weil ich auf das meiste verzichten konnte , sondern weil ich auf das meiste verzichten wollte .
Die Einfachheit beschenkte mich an diesem Abend meines Geburtstages mit den reichsten Gaben. »Ora et labora« heißt übersetzt »Bete und arbeite«. Wie gerne würde ich diesen schönen lateinischen Ausspruch jetzt übersetzen mit: »Kaue und genieße«.
Apropos Sport:
Ich laufe die 5000 Meter heute noch untrainiert in 19 Minuten. Ich rausche in meinem Haus die Treppen hoch, Fahrstühle können meinetwegen alle ausgebaut werden. Jeder Power-Kauer erlebt diese Revolution an Körperkraft und Ausdauer. Eine Erhöhung um mindestens 100% bei gleichzeitiger Reduzierung der Nahrungszufuhr um 50%. Zum Teil sogar gesteigerte Leistungsfähigkeit bei weniger Muskelmasse. Muskeln entwickeln sich eben jetzt in der Weise, wie sie zur wirtschaftlichen Lebensfähigkeit benötigt werden. Der Amerikaner Horace Fletcher stellte im Alter von 60 Jahren sensationelle Kraftrekorde auf. Dank »gereinigter« Muskeln schlug Fletcher (untrainiert) junge athletische, durchtrainierte Studenten in Kraft und Ausdauer!
Horace Fletcher (mein »Kau-Idol«!) stellte weitere Rekorde auf. Bei einer Radtour in Frankreich legte er 300 km zurück, ließ einen jungen Freund weit hinter sich und setzte sich am nächsten Morgen schon wieder aufs Rad, um einen neuen Rekord aufzustellen. Originalton Fletcher:
»Dies mag für Experten nicht viel erscheinen, es ist aber doch eine recht gute Leistung für einen Mann von 60 Jahren, der kurz vorher von einer Lebensversicherungsgesellschaft wegen seines schlechten, durch chronische Krankheiten bedingten Gesundheitszustandes zurückgewiesen worden war.«
Fletcher über seine Wandlung von kranken Greis zum jungen, powervollen Menschen:
»Dies war mir mehr
Weitere Kostenlose Bücher