Kau Dich gesund
ihrem steinharten Brot.
Ich machte mit Lola noch weitere Experimente:
Die große Brotkruste zerteilte ich in kleine Stückchen.
Jetzt geschah das nächste Wunder: Lola kaute auch auf diesen kleinen Bröckelchen. Schluckte sie nicht etwa – weil sie sehr klein waren – hastig hinunter, wie es bei jeder anderen weichen Speise gewesen wäre. Nein, sie kaute auf diesen kleinen Stückchen genau so genüßlich und ausdauernd wie auf dem großen Brocken Brot.
Es war eine einzige Lust, ihr zuzuschauen. Nachdem ein winziges Bröckelchen verschluckt war, stellte sie die Öhrchen hoch und verlangte andächtig nach dem nächsten Stückchen.
Es machte mich sehr glücklich, daß ich unserem Hund helfen konnte. Und ich dachte viel darüber nach. Ich selbst litt damals unter schlimmsten Oberbauchbeschwerden. Ich wog fast zwei Zentner (heute 75 Kilo)! Ich hatte immer schrecklichen Heißhunger, der nur mit ständigem Essen zu stillen war. Es war die Parallele zur Situation unseres Hundes. Daher probierte auch ich das harte Brot. Das Erstaunliche geschah: Es ging mir schnell besser. Heißhunger und Oberbauchbeschwerden verschwanden. Aber schon nach wenigen Tagen fiel ich wieder in die alten Eß-, Kau- und Schluckgewohnheiten zurück. Was nicht verwunderte, denn schließlich war ich es mein Leben lang so gewohnt. Und wenn ich zwischendurch einmal daran dachte, meinen Bissen länger zu kauen, so waren meine Gedanken im nächsten Augenblick schon wieder ganz woanders, bloß nicht im Mund. Und mein Bissen rutschte mir nach ein paar Kaubewegungen wieder zu schnell durch den Schlund.
Dabei war ich noch nicht einmal ein Schlinger. Ich war meistens der letzte, der mit dem Essen fertig war. Und doch, ich schluckte zu früh.
Niemand kann etwas dafür, daß er zu früh schluckt, das weiß ich heute. Er schluckt einfach nach seiner gewohnten Art, genauso wie er in seiner gewohnten Art spricht, geht, Fahrrad- oder Auto fährt. Die Aktion geschieht unbewußt, und dennoch: Es ist ein bewußter Akt, den man durch eine kleine Veränderung (das ist die große Chance!) wieder zum Guten wenden kann. Trotz des großen Erfolgserlebnissesmit unserem Hundchen hatte ich es nicht geschafft, den Bissen länger als gewohnt zu kauen. Warum?
Der Mensch hat immer gleich eine wunderbare Ausrede zur Stelle, wenn es darum geht, einen Grund für sein eigenes Versagen zu finden. So konnte ich mir nicht vorstellen, daß meine höllischen Magenbeschwerden auf mangelndes Kauen zurückzuführen seien. Da müßten andere Ursachen eine Rolle spielen. Da müßten doch sicher Ärzte, Therapien, Entspannungspraktiken dafür zuständig sein. 20 Jahre Oberbauchbeschwerden! Irgend etwas mußte da doch sein, was Fachärzte noch nicht herausgefunden hatten, dachte ich mir immer wieder. Und daß unser Hundchen durchs richtige Kauen geheilt worden war? Sie war halt ein Genie, eine Kaukünstlerin. Mir schien die Sache zu einfach … Ich glaube, weil wir Menschen denken können, machen wir alles so verdammt kompliziert.
Das AHA-Erlebnis
Mein »Heureka«, mein endgültiges AHA-Erlebnis, stellte sich erst zwei Jahre später ein: Ich zog von Arztpraxis zu Arztpraxis, von Therapie zu Therapie, nahm Medikament nach Medikament. Es waren die größten Hämmer dabei, säurebindende, starke Präparate, die alles nur noch schlimmer machten. In dieser verzweifelten Phase lernte ich Prof. Dr. Sack kennen, einen bekannten Münchner Internisten, der mich quasi durchs Finale begleitete. Prof. Dr. Sack verstand es vortrefflich, meinen »Fall« zu behandeln. Obwohl er in seiner Praxis mit Künstlern vertraut war (aber vielleicht auch deswegen), ließ er nie den Verdacht aufkommen, daß meine vorgetragenen Symptome nur durch den Schauspielerberuf bedingt seien, wie ich es oft von anderen Ärzten zu hören bekommen hatte. Man schob die Schmerzen auf mein »dünnes Fell« oder auf meine Sensibilität. Ich erinnere mich an einen Münchner Arzt (es war noch während der Schauspielschule, 1973), der mir nach einer Röntgenuntersuchung eröffnete:
»Herr Schilling, Sie sind Schauspieler und verfügen über ein sensibleres Nervenkostüm als andere Menschen. Sie verarbeiten Reize anders als normale Menschen.«
Bis dahin hat er vielleicht noch recht gehabt. Aber dann sagte dieser liebe Onkel Doktor noch:
»Der Magen ist Ihr schwächstes Organ. Ihre Schmerzen manifestieren sich daher in dieser Gegend. Damit müssen Sie von nun an leben.«
Das Wort »manifestieren« habe ich bis heute nicht vergessen.
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