Kauft Leute
wieder von dem Verkäufer des Commodore.
Caro fragte Hugo, ob er ihr den Weg zum Hof des Mannes beschreiben könne. »Es geht nicht um den Wagen, es geht nur darum, wer sich auf diesem Hof befindet!«, setzte sie nach.
Der Mann beschrieb ihr den Weg aus der Stadt hinaus, so weit, bis die Straße in den Wald einbog. »Dann ist es ziemlich schwierig, die richtige Abzweigung zu finden. Als ich aber das erste Mal vom Hof wegfuhr, fiel mir ein Autowrack auf, das neben dem Forstweg im Wald liegt, und so fand ich dann auch zurück. Es ist ein Kleinbus, der dort bestimmt schon seit Jahren vor sich hin rostet. Über die Seitenfenster ist immer noch das Transparent eines Fußball-Fanclubs gespannt.
Sparta Praha
steht darauf.«
19
G ERALD HATTE VOR DEN H ELDEN Aufstellung genommen und bereitete sie mit einer kleinen Ansprache auf ihren Auftritt vor. Christian beobachtete seinen alten Freund aufmerksam. Er wirkte so gelöst, so vollkommen selbstsicher,
schuldlos
. Christian hatte erwartet, dass man Gerald den Betrug an seinem Freund ansehen müsste. Dass ihn die Ereignisse gebeugt hätten. Ein Schatten der Schande im Gesicht. Aber nichts dergleichen: Gerald war braun gebrannt, sah mit den neuerdings kurz geschorenen Haaren, seinen hellblauen Augen unter einer randlosen Designerbrille und dem weißen Jackett fabelhaft aus.
Gerald erzählte den Helden, wie er HÜMANIA kennengelernt hatte: »Wenn ein Wiener nach München fährt, dann gibt es dafür drei Gründe: Er will sich das Konzert einer Band anschauen, die Wien nicht auf ihrem Tourplan hat. Er glaubt aus irgendeinem Grund, dass man das Oktoberfest tatsächlich besucht haben muss. Der Sprit reicht nicht bis Berlin.
So war das jedenfalls, als ich ein bisschen jünger war. In den letzten Jahren ist aber ein Grund dazugekommen, der die anderen fast verdrängt hat. Ein Freund hat mir das erste Mal von der heißen neuen Attraktion erzählt:
Schau dir diesen Markt sofort an
, sagte er,
denn entweder rückt morgen die Bundeswehr an und sie schließen ihn für immer, oder das wird das größte Ding seit geschäumter Milch
. Meine Neugier war geweckt. Ich fuhr nach München, sah mir das alles an und entschloss mich, diesem absolut außergewöhnlichen Unternehmen meine Dienste anzubieten. Ich wollte diesem
Cafe Latte
zu etwas
extra Schaum
verhelfen.«
Christian überlegte, von welchem Freund Gerald sprach – er war es jedenfalls nicht gewesen.
»Als ich mich näher mit HÜMANIA beschäftigte, war ich verblüfft, auf wie viele spannende Persönlichkeiten ich dort traf. Hier war endlich ein Unternehmen, das den Lebensläufen, die oft ungelesen unter einem Stapel Bewerbungen liegen, ein Gesicht gab.«
Christian dachte an die Arbeiter, Nutten und kleinen Kinder, die er im Haus in Wien getroffen hatte und fragte sich, wovon Gerald eigentlich sprach. Alle hatten sie Probleme, aber ihre Lebensläufe gehörten nicht dazu.
Gerald erzählte weiter: Wie er das Schloss entdeckt hatte und dabei an die Helden denken musste und wie er bei den HÜMANIA-Entscheidern auf offene Ohren stieß, als er seine Ideen von einem Gala-Event skizzierte.
Man nahm ihm das ab, alle nahmen es ihm ab. Er war im Premium-Segment angelangt, aber wo war er hergekommen?
In der Schule hatte Gerald damit angefangen, Sauf-Urlaube für die Abschlussklassen zu organisieren. Er war selbst erst 17 gewesen, als er für heruntergekommene Apartmentanlagen auf Ios DJs buchte, Schnaps und Ecstasy auftrieb und Bikini-Bewerbe organisierte. Von dem Gewinn kaufte er sich bei einem Wiener Szeneclub ein, bekam zwei Nächte, die er schnell zu den Goldgruben des Klubs machte: Reggae am Dienstag, House am Donnerstag. Ende der Neunziger organisierte er seine ersten Clubbings, später schwamm er auf der After-Work-Welle mit.
Durch die New Economy entdeckte Gerald die lukrative Welt der Corporate Events für sich. Mit dem Platzen der Dotcom-Blase kam die Katerstimmung. Die Zeit der großen Kommerz-Clubbings war vorbei, Gerald sah seine Felle davonschwimmen. Er begann, sich in der Werbung umzusehen, organisierte Joghurt-Verkostungen und Energy-Drink-Promotions. Dann wurde er auf die Gogos aufmerksam, Promo-Girls, die mit Ganzkörpereinsatz arbeiteten. Er gründete eine Agentur und wurde zum Sugardaddy der Werbebunnys.
Ende der Nullerjahre traf er Christian wieder, den er noch aus der Schule kannte. Christian war in der ganzen Welt unterwegs gewesen und schien zu wissen, wie junge Leute auf diesem Planeten heute Party machen wollten.
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