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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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Gerald übertrug ihm eine eigene Eventreihe mit internationalen DJs, und zusammen investierten sie in ein Backpacker-Hotel in Wien.
    Dann begann einiges schiefzulaufen: Die Gogos trennten sich von Gerald und gründeten ihren eigenen Verein. Christians DJ-Geschmack entsprach nicht dem Appetit der Massen und das Traveller-Hotel war innerhalb eines Jahres von vier Häusern mit demselben Konzept umzingelt und brachte ihnen keinen Cent mehr ein. Gerald suchte verzweifelt nach dem neuesten Trend, Christian aber hatte das Business schon wieder satt. Als nach einer Drogenparty, zu der er nur sich selbst eingeladen hatte, ein Feuer in Christians Schrebergartenhaus ausbrach, das nichts von seinem Besitz übrig ließ, setzte er sich nach Indien ab, wo ihn ein Freund aufnahm. Was er zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Gerald hatte den neuesten Trend schon entdeckt.
    Geralds Worte gingen auf Christian nieder wie Konfetti auf einer Parade, an die man nicht glaubt. Er wusste, dass Gerald nichts von dem, was er sagte, auch so meinte. Er war kein völlig verdorbener Kerl, aber man könnte ein bis zwei Leben darauf verwenden, ihm zu erklären, dass manche Menschen Dinge unternahmen, ohne bloß Gewinne im Auge zu haben, und er würde es nicht verstehen. Antrieb seiner Arbeit war die Überzeugung, dass die Menschen Idioten waren. Keiner wusste besser als er, was sich diese Idioten wünschten, und er verschaffte es ihnen. Als die Idioten das Ende ihrer Schulzeit mit Tequila-Räuschen feiern wollten, machte er das möglich. Als sie das Geld, das sie an der Börse gewonnen hatten, für Nutten und Koks ausgeben wollten, half er ihnen dabei. Und jetzt, wo sie sich Menschen zu ihrer Unterhaltung kauften, hatte er kein Problem damit, ihnen die Sache leichter zu machen.
    Wollte man eine gute Eigenschaft an Gerald nennen, dann war es die, dass er sich nicht für etwas Besseres hielt. Er war selbst ein Idiot und wusste es. Er fand auch nichts Schlimmes daran. Das war der Schlüssel zur Geldbörse seiner Zielgruppe. Als er am Anfang der Zehnerjahre sah, wie die Jungen gegen die Banker und die Politik und die Superreichen protestierten, wie ein Widerstand gegen die Gesetze der Marktwirtschaft aufkam und so vieles plötzlich hinterfragt wurde, als moralisches Handeln einen Stellenwert zu bekommen schien, der bisher für die persönliche Genussbefriedigung reserviert war, wurde Gerald unruhig. Auch diese jungen Leute waren allesamt Idioten, daran zweifelte er nicht, aber was sie brauchten und was sie sich wünschten – das verstand er nicht. Damals holte er sich Christian ins Boot, dem er zutraute, diese Future-Hippies richtig einschätzen zu können. Christian selbst traute sich das eigentlich auch zu. Aber beide hatten sich geirrt: Die, die sich die 99 Prozent nannten, waren viel, viel weniger, und ihren Geschmack zu treffen, hieß, auf ein zu kleines Ziel zu feuern. Christians Events gingen an der Masse vorbei, die immer noch aus den gleichen Idioten bestand wie früher und die gleiche Idiotenunterhaltung suchte wie in den Jahren davor.
    Gerald, der das Tal seiner Niederlagen inzwischen längst durchwandert hatte, beschrieb den Helden die Choreografie ihrer Auftritte vor und anschließend im Schloss. Natürlich wussten sie alle schon, was von ihnen erwartet wurde, aber sie hörten ihm immer noch pflichtschuldig zu – so tief war in alle der Gedanke eingedrungen, heute Teil von etwas Außergewöhnlichem zu sein. Als er endlich fertig war, verbeugte er sich. Er fischte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Brusttasche hervor, durchquerte das Zelt und verließ es durch eine Öffnung am Rand, die nur wenige Schritte von Christians Position hinter der Garderobe entfernt war. Die Securitys im Zelt waren allesamt völlig abwesend, und Christian nützte die Chance und schlüpfte ebenfalls aus dem Zelt in die inzwischen dunkelblaue Nacht hinein.
    Gerald schlenderte vor ihm über den Kiesweg, eine Fahne aus Rauch hinter sich durch die Nacht ziehend. Christian wollte ihn niederreißen und sein Gesicht in den Staub drücken, das hatte er jedenfalls vorgehabt, aber jetzt war es so ruhig hier und die Stimmung im Park so friedlich, dass er sich einfach nicht überwinden konnte. Fünf Meter hinter seinem Ex-Partner gehend, rief Christian seinen Namen. Gerald drehte sich um. Er erkannte ihn sofort, schon als Christian gerufen hatte, wusste er Bescheid.
    Christian atmete schwer, er war viel aufgeregter, als er gedacht hatte. »Warum?«, fragte er und stemmte die Hände

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