Kautschuk
Feuerhaken. »Haben Sie kein Beil?« fragte er Frau Linke. Die reichte ihm eine Handaxt.
Wittebold stürmte damit zu Fortuyns Tür. Mit ein paar Schlägen hatte er eine Füllung herausgeschlagen ... Die Frauen wollten sich herandrängen, da hielt er sie zurück. »Bleiben Sie hier! Ich rieche Gas!«
Mit angehaltenem Atem eilte er durch das Zimmer, riß die Fenster auf und lehnte sich einen Augenblick hinaus, um frische Luft zu schöpfen. Dann stürzte er zur Tür, die zu dem Wohnzimmer führte, öffnete sie und riß auch im Wohnzimmer die Fenster auf. Ein heftiger Gegenzug fegte durch die Räume. Jetzt wagte er es, den elektrischen Schalter zu drehen. Die Deckenlampe flammte auf. Er trat an Fortuyns Bett. Dieser war bewußtlos.
Ohne sich um das Jammern und Klagen der Frauen zu kümmern, ging Wittebold ins Wohnzimmer zum Telefon und rief die Unfallstation des Werkes an.
Als Johanna die Worte hörte: »Doktor Fortuyn ... schwere Gasvergiftung«, brach sie besinnungslos zusammen. —
Die für den folgenden Tag angesetzte Direktionssitzung stand unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen Nacht. Wohl noch nie, seit das Werk bestand, hatte eine derartige Aufregung unter den leitenden Personen geherrscht. Der Raum war mit nervöser Spannung geladen. In erregter Unterhaltung standen die Direktoren in Gruppen zusammen, als Kampendonk eintrat.
Der gab einen authentischen Bericht über die Geschehnisse. Er schloß seine Ausführungen: »Irgendwelche Zweifel über die Ungeheuerlichkeit dieses teuflischen Planes bestehen nicht. Die zurückgelassenen Apparate und Werkzeuge, die sonstigen Feststellungen am Tatort geben ein völlig klares Bild des beabsichtigten, teilweise gelungenen Verbrechens. Von besonderer Wichtigkeit für die Verfolgung der Täter wird natürlich die Aussage der Frau Direktor Terlinden sein. Augenblicklich leidet die Dame noch an den Folgen eines Nervenschocks. – Es liegt zweifellos eine gewisse Tragik in dieser – ich möchte sagen – Duplizität der Ereignisse: erst der Unfall ihres Gatten, jetzt das Verbrechen an Doktor Fortuyn, einem Freund ihres Hauses ... beides durch Gas!«
»Bestehen irgendwelche Vermutungen, wer hinter dem Ganzen steht?« fragte Direktor Lindner. »Wer der eigentliche Urheber des Verbrechens ist?«
Kampendonk schüttelte den Kopf. »Es ist nur erwiesen, daß die Gasbehälter französisches Fabrikat sind. Über den weiteren Gang der Untersuchung werde ich die Herren auf dem laufenden halten. Ich will nun zu dem eigentlichen Gegenstand unserer Konferenz kommen. Es handelt sich um die Frage, ob wir jetzt die Großfabrikation von Isolationskautschuk nach dem Verfahren Doktor Morans aufnehmen sollen oder nicht. Ich habe Herrn Lindner zum Berichterstatter bestimmt. Wollen Sie, bitte, Ihr Referat geben, Herr Direktor!«
Lindner nahm das Wort. »Ich nehme an, daß sämtliche Herren im Besitz der Arbeit von Doktor Wendt sind? Ich kann mich daher darauf beschränken, auf diese Ausführungen zu verweisen, da sie vollkommen klar und erschöpfend die Frage behandeln. Ich unterschreibe dieses Gutachten Wort für Wort und habe ihm nichts hinzuzusetzen.«
Eine Reihe anderer Direktoren schloß sich der Meinung Lindners an. Andere, Freunde Morans, opponierten. Von verschiedenen Seiten wurde der Wunsch ausgesprochen, Doktor Moran selbst zu hören. Kampendonk pflichtete dem bei.
Nach einer Weile trat Moran ein. Kampendonk wandte sich zu ihm. »Wir verhandeln gerade über die Arbeit des Herren Doktor Wendt. Das Interesse der Sache und das Billigkeitsgefühl Ihnen gegenüber, Herr Doktor Moran, lassen es uns wünschenswert erscheinen, daß Sie selbst sich zu den Ausführungen Doktor Wendts äußern. Die Meinungen der Herren hier sind geteilt.«
Moran begann zu sprechen. Mochte er nun unter dem Eindruck der allgemeinen Spannung stehen, mochten andere Gründe mitsprechen, seine Ausführungen machten trotz der Gewandtheit und Lebhaftigkeit, mit der er sie vortrug, einen Eindruck der Unsicherheit und Verlegenheit. Er endete mit der Erklärung: »Ich gebe zu, daß der Aufnahme der Großfabrikation im Augenblick noch gewisse Bedenken entgegenstehen können. Unter Berücksichtigung des großen Risikos für das Werk möchte ich daher bitten, die Untersuchungen speziell zur Klärung der Polymerisierungsvorgänge fortsetzen zu dürfen. Damit will ich jedoch durchaus nicht sagen, daß ich die Einwände des Kollegen Wendt für unbedingt stichhaltig ansehe, und hoffe binnen kurzem den Beweis
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