Kautschuk
Boffin!« hatte die Collins gesagt.
Meyer wurde von Boffin mit großer Herzlichkeit zur Tür geleitet. —
Juliette und Waldemar saßen in dessen Wohnung am Kaffeetisch. Die Likörgläser waren schon des öfteren gefüllt und geleert worden, aber es wollte sich trotzdem keine rechte Stimmung einstellen. Sie machten beide Gesichter, als ob sie sich gezankt hätten.
Eigentlicher Zank war es zwar nicht gewesen, aber Juliette hatte Waldemar heftige Vorwürfe gemacht, er sei schuld; er habe auf der Fahrt von Köln nach Berlin die Rede auf Fortuyn und Langenau gebracht. Sie habe erst gar nicht darauf eingehen wollen; schließlich sei sie dummerweise auf seine Fragen reingefallen. Die Dame, die während der ganzen Fahrt neben ihnen gesessen hätte, sei ganz wahrscheinlich dieselbe, die da so zu unrechter Zeit in Fortuyns Haus gekommen sei.
Die Ursache dieser Auseinandersetzung war ein langes, peinliches Verhör, das Boffin mit Juliette angestellt hatte. Nur durch eine grobe Unvorsichtigkeit eines der Beteiligten, hatte er gesagt, könnte die Sache verpfuscht worden sein, und hatte sie dann auf das genaueste ausgefragt.
Schon bei der Erwähnung der Dame, die nachts in Fortuyns Haus gekommen, war Juliette schwül zumute geworden. Natürlich hatte sie Boffin gegenüber jede Unvorsichtigkeit abgeleugnet. Aber innerlich machte sie sich die heftigsten Vorwürfe über den Leichtsinn, in offenem Gespräch, wenn auch in englischer Sprache, soviel mit Waldemar geplaudert zu haben.
Waldemar wollte Juliettes Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und schob ihr den gleichen Teil an der Schuld zu. Vom langen Streiten ermüdet, saßen sie verdrossen da. Da schrillte das Telefon. Boffin war am Apparat. Juliette sollte sofort zu ihm kommen.
Was Boffin ihr zu sagen hatte, trug nicht dazu bei, ihre Stimmung zu verbessern. Wieder dieser alte, häßliche Vorschlag! Sie sträubte sich lange, doch vergebens. Mit Hilfe von Fräulein Collins gelang es endlich, sie zu überreden.
Nach Dienstschluß war Tilly, mit einem Blumenstrauß in der Hand, rüber zu Schappmanns gegangen. Man feierte dort den Geburtstag der guten Luise. Tilly hatte, nachdem sie der alten Frau gratuliert, gleich wieder gehen wollen. Doch sie hatte den vereinten Bitten der alten Leutchen nicht widerstehen können, hatte an dem festlich geschmückten Kaffeetisch Platz nehmen müssen und mit den anderen mitgehalten.
Als später Wittebold mit den beiden Alten allein zusammensaß, sagte Schappmann schmunzelnd: »Ist doch ein Prachtmädel, das Fräulein Tilly! So vergnügt habe ich sie ja noch nie gesehn wie heute. War ein schöner Geburtstag, meine gute Luise!« Er legte zärtlich den Arm um ihre Schulter, sprach dabei weiter: »Und fing heute morgen doch gar nicht so schön an! Ist nun schon das zweitemal, daß ich zum Gericht muß, wegen diesem Bernhard. Weiß gar nicht, wozu das noch nötig war. Der Kerl soll doch gestanden haben. Ich konnte auch gar nichts anderes sagen als beim erstenmal. Habe bloß den Gerichtsherrn gebeten, er soll dem falschen Kerl extra was aufbrummen, weil er mich so schmählich betrogen hat wegen meiner Nächstenliebe.«
»Na«, meinte Wittebold lachend, »der wird sowieso schon nicht so billig wegkommen! Billiger werden sie’s wohl nicht machen als bei Embacher, der seine fünf Jährchen schon weg hat!«
»Lange nicht genug!« ereiferte sich die gute Luise. »Der müßte noch mal soviel kriegen, von wegen dieser Gemeinheit an meinem guten Ollen! Und was ich sagen wollte: Haben sie denn noch gar keine Spur von den Kerlen, die das grausame Attentat auf Herrn Doktor Fortuyn gemacht haben?«
Wittebold schüttelte den Kopf. »Leider nicht, Frau Schappmann. Wundre mich auch, denn es war nicht nur einer, waren ja ein paar ... und die müßten sie doch ...« Nach einigem Nachdenken fuhr er fort: »Die werden wohl längst über die deutsche Grenze gebracht sein ...«
»‘s war doch wirklich ein großes Glück«, meinte die gute Luise, »daß Sie noch dazukamen, Herr Wittebold! Hätt’ es noch länger gedauert, wäre der arme Doktor Fortuyn an dem Gift gestorben.«
Schappmann wiegte den Kopf. »Gestorben? ... Vielleicht wäre ihm das auch so gegangen wie dem Herrn Direktor Ter-linden. Wie lange hat sich der arme Mann quälen müssen, bis er nun endlich vorgestern gestorben ist! Ich habe ihn gut gekannt. Wäre auch gern mit zu seiner Beerdigung gegangen. Aber er wird ja in Wiesbaden begraben, wo seine Familie herstammt.«
»Die arme Frau
Weitere Kostenlose Bücher