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Kautschuk

Kautschuk

Titel: Kautschuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Sprüngen war Feldmann am Fenster, beugte sich zur Seite und spähte hinter dem Vorhang in den Vorgarten.
    »Was ist los? Wer ist’s? Polente?« zischte Rothe ihm ins Ohr.
    »Eine Frau – eine Dame ist’s! Zum Donnerwetter! Wer ist das? Was will die jetzt in der Nacht hier?«
    Von neuem begann die Klingel in der oberen Wohnung zu schrillen; doch diesmal viel andauernder. Die beiden standen mit angehaltenem Atem hinter dem Fenstervorhang. Nach einer Weile hörten sie über sich Schritte gehen. Ein Fenster wurde geöffnet. Die Stimme einer Frau fragte: »Wer ist denn da?«
    »Ich bin’s, Frau Linke ... Frau Terlinden. Ist Herr Doktor Fortuyn zu Hause?«
    »Gewiß, meine Dame! Er war den ganzen Abend zu Hause. Liegt schön längst zu Bett.«
    »Ich muß ihn aber dringend sprechen, Frau Linke, öffnen Sie doch, bitte, schnell die Haustür!«
    Die Wirtschafterin zögerte einen Augenblick. Dann schien sie sich besonnen zu haben; die Tür klinkte automatisch auf. Johanna schritt durch den Flur und eilte die Treppe empor.
    Gerade als Frau Linke ihr die Wohnungstür öffnete, glaubte Johanna zu hören, wie die Haustüre unten wieder aufging, und glaubte auch Schritte zu vernehmen. Sie drehte sich hastig um und sah nach unten. Da war alles still.

Einen Augenblick stand sie schwer atmend und suchte vergeblich nach Worten, der Wirtschafterin eine Erklärung für ihr Kommen zu geben, und fing dann an, stotternd, zusammenhanglos zu sprechen. »Sie werden sich wohl sehr wundern, Frau Linke ... Ich war in Berlin – habe auch von dort angerufen ... Herr Fortuyn wäre nicht da, sagten Sie. Ich fuhr von Hannover nach Berlin, um etwas zu erledigen ... da hörte ich im Zug Leute miteinander sprechen ... von Doktor Fortuyn und ... von Schriftstücken ... Ich verstand nicht alles, aber es kam mir so unheimlich vor. In Berlin sah ich die Leute wieder. Meine Angst wurde immer größer. Einer sollte hierher fahren ... Aber nein – Sie werden mich ja doch nicht verstehen!« Sie ging hastig ein paar Schritte weiter. »Bitte, liebe Frau Linke, klopfen Sie doch an Herrn Fortuyns Tür! Wecken Sie ihn! Sie brauchen nicht zu sagen, wer hier ist. Wenn er antwortet und aufsteht, bin ich schon zufrieden, werde dann gleich gehen ...«
    Die Wirtschafterin sah Johanna verwundert, erschrocken an. ›Was ist mit der Frau‹, dachte sie. ›Ist sie krank? Sie sieht so verstört aus, schwatzt so tolles Zeug. Da kann man sich ja fürchten ...‹

Sie schrak zusammen, als Johanna plötzlich ihren Arm ergriff, sie weiterzog. »Schnell, schnell! Ich hab’ nicht eher Ruhe. Ich vergehe vor Angst. Wecken Sie ihn! Klopfen Sie an!« Frau Linke pochte mit dem Finger gegen Fortuyns Tür. Nichts rührte sich.
    »Stärker! Stärker müssen Sie klopfen!« sagte Johanna drängend.
    Die klopfte wieder. Da schlug Johanna, unfähig, ihre Aufregung zu meistern, mit beiden Fäusten gegen die Tür und rüttelte am Türgriff. Nichts rührte sich. Die Tür war verschlossen. Wieder trommelten Johannas Fäuste dagegen. »Walter! Walter!« Ihre Stimme überschlug sich. »Hörst du mich nicht?«
    Wieder atemloses Lauschen. In dem Zimmer war alles still. Johanna brach in lautes Weinen aus, rang die Hände. »Ich ahnte es! Ich wußte es! Ein Unglück, Frau Linke! Wir müssen zu ihm ... ihm helfen!« Sie warf sich mit Gewalt gegen die Tür, doch die wich nicht.
    »Aber was ist denn passiert? Was ist denn los, Frau Direktor?« jammerte die Wirtschafterin, die jetzt auch ängstlich geworden war. »Ist denn der Herr Doktor krank? Er hat ja noch vor ein paar Stunden mit mir gesprochen.«
    »Nein, nein, Frau Linke! Ein Verbrechen! Was? Ich weiß es nicht. Können Sie nicht jemand zu Hilfe rufen, der uns die Tür aufbricht?«
    »Ich werde die Leute unter uns wecken!« rief Frau Linke und eilte zur Flurtür. Da ging die gerade auf. Ein Mann stand da. Die Wirtschafterin stieß einen lauten Schreckensschrei aus.
    »Seien Sie ruhig!« herrschte der sie an. »Ich will Ihnen nichts tun. Was ist hier los?« Er verstummte, als er Johanna sah. »Frau Direktor Terlinden? Bitte, sagen Sie mir, was hier vorgeht! Ich heiße Wittebold. Bin Bürodiener bei Herrn Doktor Fortuyn.«
    Johanna eilte auf ihn zu. »Ein Unglück! Was es ist, weiß ich nicht. Wir haben geklopft – er antwortet nicht. Die Tür ist verschlossen. Helfen Sie uns! Schnell, schnell muß es sein! Er stirbt! Vielleicht ist er schon tot!«
    Wittebold sah sich um. Die Tür zur Küche stand offen. Er lief hinein, packte einen

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