Kautschuk
Generaldirektor. Die Patente können morgen früh rausgehen.«
»Gut, Herr Doktor! Mir wird ein Stein vom Herzen fallen, wenn ich sie unterwegs weiß.«
»Sie sind doch sicher, Herr Generaldirektor, daß die Dame, die die Abschriften der Patententwürfe gemacht hat, vollständig zuverlässig ist?«
»Seien Sie unbesorgt, Fräulein Knappe hat die Entwürfe eigenhändig vervielfältigt. Niemand außer ihr und uns beiden weiß davon. Sie wird auch für die Expedition der Patente selber Sorge tragen. – Doch wie ist’s nun weiter bei der Konstanthaltung des Stromes? Sie erinnern sich, daß diese Frage gestern im Direktorium immer wieder angeschnitten wurde. Das war ja das Hauptproblem, Herr Doktor.«
»Herr Generaldirektor, ich habe mir das Vergnügen gemacht, in der Werkhalle 8 – sie ist übrigens für jeden Zutritt gesperrt, passieren kann also nichts – seit einer Woche eine Dauerbelastung laufen zu lassen. Wollen Sie sich bitte selbst überzeugen?«
Kampendonk sah Fortuyn zweifelnd von der Seite an. Aber er folgte ihm doch neugierig in die Halle 8.
Nichts war hier von einem epochemachenden Versuch zu sehen. Nur am Schaltbrett konnte der Fachmann an Volt- und Amperemetern erkennen, was für ungeheure Kräfte hier am Werk waren.
»Und wo ist das Versuchskabel?« Der Generaldirektor sah sich um. Er suchte wohl noch nach einem mindestens einen halben Meter dicken Kabel.
»Hier, bitte!« Fortuyn wies auf ein kaum schenkelstarkes isoliertes Versuchskabel.
»Vollständig sicher, Herr Generaldirektor. Die Isolation ist nur handwarm, bitte überzeugen Sie sich selber.« Und unbedenklich berührte er die Prüfkabel. Auch der Generaldirektor glitt mit der Rechten über den lauwarmen Kabelmantel. Dann drückte er dem Doktor ohne ein Wort zu sagen fest die Hand. Aber in diesem Händedruck lag mehr, als viele Worte härten auszudrücken vermocht. —
Wieder saßen die Herren in Dr. Fortuyns Arbeitszimmer.
»Der Versuch ist vollkommen gelungen. Ich habe zwar nie daran gezweifelt ...« Fortuyn deutete mit leicht ironischem Lächeln auf die Patentschriften. »Wie hätte ich es sonst wagen können, Patente nehmen zu wollen? Aber um alle Zweifel hier im Werk zu beheben, machte ich mir, wie gesagt, das Vergnügen, den praktischen Versuch zu unternehmen. Jeder Zweifler mag sich gleichfalls überzeugen.«
»Es wird keinen mehr geben, Herr Doktor. Aber bei den Riesensummen, die wir aufwenden müssen, um die Fabrikation einzuleiten, wäre es mir doch bedenklich gewesen, wenn da in der Leitung des Werkes noch irgendwo das volle Vertrauen gefehlt hätte. Ich bin übrigens neugierig, wie sich unsere ausländischen Konkurrenten auf die Patentanmeldungen hin verhalten werden. Es wäre durchaus denkbar, daß wir in absehbarer Zeit etwas von Mr. Hopkins zu hören bekämen.«
Dieser führte zur selben Zeit von Berlin aus ein längeres Telefongespräch mit Langenau. Es mußte ihn aber wenig befriedigt haben; denn er warf schließlich ärgerlich den Hörer auf die Gabel und verlangte ein neues Gespräch mit Kurfürstendamm Nr. 77.
Nach dem Ton seiner Stimme zu schließen, konnte Morris Boffin nur froh sein, einige Kilometer Luftlinie zwischen sich und Hopkins zu wissen. So brauchte er nur zu hören, nicht zu sehen. Und das war gut; denn das Gesicht von Steve Hopkins war noch weniger liebenswürdig als seine Stimme.
Kaum hatte Boffin abgehängt, da schrillte das Telefon von neuem. Als Boffin die Stimme Morans erkannte, atmete er erleichtert auf. Gut – gut! Der würde gegen Abend zu ihm kommen. Sehr gut! Jetzt kam’s endlich zum Klappen. »Aha!« kicherte er schmunzelnd vor sich hin. »Danach, hoffe ich, dear Hopkins, werden Sie einen anderen Ton in unserem Verkehr anschlagen!«
Als um neunzehn Uhr Boffins Büro geschlossen wurde, blieb er mit der Collins noch in seinem Arbeitszimmer zusammen. Immer wieder ging sein Blick zur Uhr. »Kann’s kaum erwarten, daß Moran kommt! Endlich, Gott sei Dank, ist’s so weit! Paßt übrigens vorzüglich zu unserem Reiseplan. Wie’s auch wird: übermorgen früh fahren wir.«
»Was haben Sie wieder zu krächzen, alter Rabe?« fuhr Fräulein Collins ihn an. »Was heißt das: ›Wie’s auch wird‹? Diesmal geht’s sicher nicht schief.«
Endlich klang die Türglocke. Beide eilten hinaus. Es war Moran. —
Eine halbe Stunde waren sie schon in eifrigem Gespräch. Boffin saß mit hochrotem Kopf. Sein Klemmer, der, wie Fräulein Collins behauptete, aus den Anfängen der Optik stammte, wurde
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