Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Gefängnistrakt entflohen. »Kay, ich glaube, du kennst Detective Morales noch nicht«, sagte Benton in ziemlich ungnädigem Ton.
    »Ich wette, Sie erinnern sich nicht mehr, aber wir wären uns einmal fast vorgestellt worden«, entgegnete Morales, trat selbstbewusst ein und musterte Scarpetta von Kopf bis Fuß. »Tut mir leid.« Scarpetta war sicher, diesen Mann noch nie gesehen zu haben, und hielt ihm auch nicht die Hand hin. »Am letzten Labor-Day-Wochenende im Leichenschauhaus«, erwiderte er.
      Er strahlte eine Anspannung aus, die sie nervös machte und ein Gefühl der Beklommenheit in ihr auslöste. Offenbar dachte und handelte er schnell und neigte dazu, andere nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
      »Sie standen ein paar Tische weiter und waren mit dem Typen beschäftigt, den der East River bei Ward's Island an Land gespült hatte«, fuhr er fort. »Ich merke schon, Sie haben es vergessen. Die Frage damals war, ob der Bursche lebensmüde war und von der Fußgängerbrücke gesprungen ist oder ob jemand seine Reise ins Jenseits beschleunigt hatte. Vielleicht hatte er ja auch einen Herzinfarkt und ist ins Wasser gestürzt. Lester war für den Fall zuständig. Wie sich herausstellte, hatte sie Tomaten auf den Augen, denn sie hat die verräterischen farnartigen Spuren an seinem Körper übersehen. Arborisierung nach einem Blitzschlag. Den hatte sie nämlich bereits ausgeschlossen, weil seine Socken und Schuhe nicht angesengt waren. Sie haben ihr mit einem Kompass vorgeführt, dass die Gürtelschließe des Toten magnetisch war, ein typisches Zeichen für einen Blitzschlag, richtig? Aber es ist verständlich, dass Sie sich nicht an mich erinnern. Ich war nur kurz da, um ein paar Kugeln abzuholen, die ins Labor mussten.«
      Er zog ein Beweissicherungsformular aus der Gesäßtasche seiner auf halbmast hängenden Hose und fing an, es auszufüllen. Als er sich über den Schreibtisch beugte, streifte sein Ellbogen beim Schreiben ihre Schulter, so dass sie ihren Stuhl ein Stück wegrücken musste. Dann reichte er ihr das Formular und den Stift, damit sie die restlichen Daten eintragen und unterschreiben konnte. Schließlich nahm er die Beutel mit den an Oscar Banes Körper sichergestellten Proben und ging.
      »Man braucht wohl nicht eigens zu sagen, dass Berger mit ihm alle Hände voll zu tun hat«, stellte Benton fest.
    »Ist er in ihrem Team?«
    »Nein, auch wenn das die Sache für sie erleichtern würde.
    Dann könnte sie ihn nämlich zumindest ein bisschen an die Kandare nehmen«, antwortete Benton. »Der Kerl ist allgegenwärtig. Sobald es einen medienwirksamen Fall gibt, steht er auf der Matte. Zum Beispiel bei dem Tod durch Blitzschlag, von dem er gerade gesprochen hat. Ach, noch etwas, er wird dir vermutlich nicht verzeihen, dass du ihn vergessen hast. Deshalb hat er es auch dreimal erwähnt.«
    13
    Benton lehnte sich schweigend in seinem Kunstledersessel zurück, während Scarpetta auf der anderen Seite des zerschrammten Schreibtisches über den Papieren brütete.
      Er liebte ihre gerade Nase, den markanten Kiefer, die hohen Wangenknochen und ihre bedächtigen und dennoch anmutigen Bewegungen, selbst wenn sie nur eine Kleinigkeit tat, wie eine Seite umzublättern. Für ihn sah sie noch genauso aus wie bei ihrer ersten Begegnung, als sie plötzlich auf der Schwelle des Konferenzraums gestanden hatte. Das blonde Haar zerzaust, das Gesicht ungeschminkt und die Taschen ihres langen weißen Laborkittels vollgestopft mit Stiften, Papiertaschentüchern und rosafarbenen Telefonnotizen von Menschen, die sie aus Zeitmangel noch nicht zurückgerufen hatte, es aber sicher bald tun würde.
      Er hatte auf den ersten Blick erkannt, dass sie trotz ihrer Durchsetzungsfähigkeit und Ernsthaftigkeit auch rücksichtsvoll und gütig sein konnte. Das hatte er an jenem Tag in ihren Augen gelesen, und nun spürte er es wieder, obwohl sie beschäftigt war und er sie - nicht zum ersten Mal - gekränkt hatte. Er konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen, und der Hass traf ihn wie ein spitzer Pfeil. Hass auf Marino. Das Thema, mit dem Benton sich schon sein ganzes Erwachsenenleben lang befasste, war nun in sein Zuhause eingedrungen. Marino hatte den Feind hereingelassen, und Benton wusste nicht, wie er ihn wieder verscheuchen sollte.
    »Wann war die Polizei am Tatort? Und warum starrst du mich so an?«, fragte Scarpetta, ohne den Kopf zu heben. »Etwa um Viertel nach sechs. Ich habe einen Fehler gemacht. Bitte sei mir nicht

Weitere Kostenlose Bücher