Kay Susan
weigert, die perverse Lust einer Frau mitanzusehen?
»Doch wenn ich darüber nachdenke«, fuhr der Schah kühl fort, »bin ich nicht sicher, daß eine solche Strafe seine Talente unbedingt abtöten und ihn für einen anderen Herrscher nutzlos machen würde. Ich möchte die Einzigartigkeit dieses Palastes erhalten. Er soll für keinen anderen König bauen. Jeder Mann, der auf dieser Baustelle gearbeitet hat, muß hingerichtet werden . . . einschließlich des Schöpfers. Sie werden Erik morgen abend verhaften, wenn er nach Ashraf zurückkehrt.«
»Morgen?« wiederholte ich schwach.
Wieder runzelte der Schah die Stirn.
»Heute abend stellt er eine kleine Veränderung fertig, die ich für mein Privatgemach angeordnet habe, und ich will nicht, daß er gestört wird. Morgen habe ich keine weitere Verwendung mehr für ihn.«
Er setzte sich und sah sich kritisch im Audienzsaal um, fand aber offensichtlich keinen weiteren Grund zur Klage, der Erik noch eine Nacht Aufschub hätte gewähren können.
»Ich überlasse die Art der Hinrichtung Ihren fähigen Händen, Daroga. Aber sorgen Sie dafür, daß der Schädel nicht beschädigt wird. Es ist mein Wunsch, daß dieser Kopf einbalsamiert und auf einer Säule im Guilistan aufgestellt wird. Der Sultan und der Emir werden gelb vor Neid, wenn sie von meinem neuen Schmuckstück hören.«
Ich schaute zu Boden, da ich schreckliche Angst hatte, mein Gesichtsausdruck könnte meine Abscheu verraten.
»Nun«, fragte der Schah brüsk, »sind meine Anweisungen nicht deutlich genug?«
»Sie sind vollkommen deutlich, o Schatten Gottes.« Mit einer tiefen Verneigung zog ich mich zur Tür zurück.
»Daroga!«
»Majestät?«
»Weisen Sie Ihre Leute an, nach der Verhaftung seine Gemächer sehr sorgfältig zu durchsuchen. Ich bin sicher, daß man unter seinen Habseligkeiten das Halsband finden wird.«
Wieder neigte ich zustimmend den Kopf.
Ich hatte vierundzwanzig Stunden Zeit, um meine Vorkehrungen zu treffen.
Kurz vor Morgengrauen umstellten meine Männer Eriks Gemächer in Ashraf, und ich betrat sein Zimmer, allein.
Er war verblüfft.
»Es ist üblich, daß man anklopft, ehe man eintritt«, sagte er ziemlich kurz angebunden. »Was zum Teufel tun Sie hier um diese Zeit? Ich habe Sie nicht eingeladen.«
»Dies ist kein gesellschaftlicher Besuch«, sagte ich laut, so daß man meine Stimme bis auf den Gang hörte. »Ich komme in offizieller Eigenschaft, als Polizeichef dieser Region, um Sie wegen Verrats zu verhaften. Kleiden Sie sich sofort an und kommen Sie mit.«
Er begann zu lachen, doch als ich ihm heftig bedeutete, er möge schweigen, war er plötzlich still und sah mich neugierig an.
»Wir haben nicht viel Zeit«, flüsterte ich. »Holen Sie, was immer Sie an transportablen Werten besitzen, und geben Sie sie mir, rasch.«
Er beugte sich vor, um eine in der Wand verborgene Feder zu betätigen, und sofort glitt ein Stein zur Seite und gab eine kleine Höhlung frei, aus der er eine Kassette nahm.
»Ich habe die ganze Nacht an einem persönlichen Auftrag des Schahs gearbeitet und bin soeben im Begriff, ein Bad zu nehmen.« Seine Stimme drang mühelos zu den draußen wartenden Männern, und erleichtert erkannte ich, daß er die Regeln dieses verzweifelten Spiels akzeptiert hatte.
»Ich gebe Ihnen ein paar Minuten, um sich anzukleiden«, sagte ich.
Er reichte mir die Kassette, und als ich sie öffnete, fand ich darin einen wahren Hort von Schätzen: kostbare Gemmen jeder Art, offizielle Belohnungen für seine Dienste, aber auch viele andere Preziosen, die er sich einfach angeeignet hatte. Ich erkannte einen großen Diamanten, der einst Mirza Taqui Khan gehört hatte, und auf dem Boden der Kassette das verschwundene Katzenhalsband, dessen unschätzbare Juwelen im Fackellicht funkelten.
Vorwurfsvoll sah ich ihn an, und er antwortete mit einem eleganten, leicht ironischen Achselzucken.
Ich seufzte, als ich den Inhalt der Kassette in einen Lederbeutel schüttete und diesen sicher unter meinem Mantel befestigte. Ich trat an die Öffnung in der Wand und fand dort Geld, das er achtlos hineingestopft hatte. Als ich das Geheimfach geleert hatte, winkte ich ihm, es wieder zu verschließen.
»Geben Sie mir Ihre Hände«, murmelte ich. »Man erwartet, Sie gefesselt zu sehen.«
Einen Augenblick lang, als er sich vor Zorn versteifte, dachte ich, sein verrückter Stolz werde alles ruinieren, und er werde lieber sterben, als sich wie ein Tier fesseln zu lassen.
»Geben Sie mir Ihre Hände«, wiederholte ich
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