Kay Susan
Angst, meiner Stimme zu schaden, und in der glitzernden Euphorie, dem Ergebnis meines ersten Experiments mit einer Spritze, begann ich an der Oper zu arbeiten, die ich als mein Hauptwerk betrachtete.
Ich nannte sie Der Triumph des Don Juan.
Ich begann, sehr zynisch zu werden . . .
Monatelang durchzog ich Belgien wie vorher das übrige Europa;
aus Angst vor Feindseligkeit und Repressalien blieb ich nirgends lange. Antwerpen, Gent, Brüssel, und endlich – verlockt von dem weichen, vertrauten Rhythmus meiner Muttersprache – Mons. Wie gut es war, überall Französisch sprechen zu hören! Ich hatte viele Sprachen gelernt, aber in meinen Ohren war nichts mit den verführerischen Klängen der schönsten Sprache der Welt vergleichbar. Ich verspürte plötzlich den Wunsch, mich in diesem eminent zivilisierten Land niederzulassen, und baute mir ein Haus.
In den Hintergassen von Mons fand ich einen Mann, der meinen ziemlich einzigartigen Bedürfnissen vollkommen entsprach; er war empfänglich für meine Stimme und bereit, meine Wünsche zu erfüllen, ohne lästige Fragen zu stellen, ein Mann, den ich völlig kontrollieren konnte, indem ich einfach meinen Kehlkopf übte.
Jules Bernard hatte seine Lehrzeit als Grobsteinmetz beendet, und sobald ich sicher war, daß er mir nützlich sein würde, machte ich ihn zu meinem gutbezahlten Sklaven, der Transaktionen vornahm, die mir aufgrund meiner immer zurückgezogeneren Lebensweise zuwider geworden waren.
Wäre ich mit meinem Haus zufrieden gewesen, so hätte unsere Beziehung zweifellos geendet, nachdem der letzte Stein gesetzt war, doch schon lange, bevor wir beim Dach anlangten, gefiel mir mein Entwurf nicht mehr. Jules, den ich anwies, das Haus nach Fertigstellung zu verkaufen, wurde sofort mit einem halben Dutzend Angebote überlaufen.
»Vielleicht sollten Sie einmal daran denken, Aufträge anzunehmen«, schlug er zögernd vor.
Mein erster Impuls war Lachen; doch dann hielt ich inne.
Warum eigentlich nicht?
Fünf Jahre später führte Jules – inzwischen ein verheirateter Mann mit drei kleinen Kindern, die durch seine bescheidene Mietwohnung tollten – für mich ein blühendes Geschäft. Die Dienste, die ich anbot, waren in vieler Hinsicht einmalig. Es war nicht ungewöhnlich, daß ein Architekt Aufträge weiterleitete und nicht selbst ausführte. Es war ebenfalls üblich, daß ein Architekt sich mit seinen Kunden traf, doch das zu tun, weigerte ich mich standhaft. Meine Bedingungen waren so exzentrisch, daß es ein Wunder ist, wie das Geschäft überhaupt überlebte. Aber Jules legte eine so unerwartete Fähigkeit an den Tag, irritierte und verärgerte Kunden zu besänftigen. Es wurde Mode, sich von dem geheimnisvollen Architekten, der sich nie sehen ließ, sondern seine Pläne nur mit Erik unterzeichnete, ein Haus entwerfen und bauen zu lassen. Man akzeptierte, daß ich eher auf einen Auftrag verzichtete, als einer persönlichen Konsultation zuzustimmen. Kurz gesagt, ich war wieder einmal eine sehr erfolgreiche Attraktion, für die die Reichen recht ansehnlich zu zahlen bereit waren.
Nach fünf Jahren dieser Existenz stellte ich fest, daß es mich tödlich langweilte, überschätzte Behausungen für fette, selbstzufriedene Geschäftsleute und ihre noch fetteren und selbstzufriedeneren Ehefrauen zu bauen. Eine schreckliche Rastlosigkeit machte sich immer deutlicher bemerkbar, eine Rastlosigkeit, die teilweise auf Enttäuschung zu beruhen schien, teilweise auf dem Drang, in das Land meiner Geburt zurückzukehren.
»Ich gehe für eine Weile fort«, erklärte ich Jules eines Morgens unvermittelt. »Sie werden doch mit allem fertig, nicht wahr?«
»Ja, Monsieur«, sagte er nervös; selbst nach diesen Jahren noch fühlte er sich in meiner Gegenwart unbehaglich. »Werden Sie lange fort sein?«
»Das kann ich noch nicht sagen.«
Ich hätte den Bauhof ohne ein weiteres Wort verlassen, doch plötzlich rannte er mir nach, fast in Panik.
»Monsieur . . . sagen Sie mir wenigstens, wo ich Sie erreichen kann. Vielleicht brauche ich Sie.«
Niemand auf dieser Welt braucht mich – oder wird mich je brauchen.
»Sie werden schon zurechtkommen«, sagte ich ruhig. »Ich vertraue auf Ihre Kompetenz, und es liegt in Ihrem Interesse, das Geschäft in meiner Abwesenheit solvent zu erhalten. Sagen Sie, haben Sie schon einen Lehrer für Ihren ältesten Sohn eingestellt?«
»Monsieur«, protestierte er, »das übersteigt meine Mittel . . . «
»Sie haben Zugriff auf die Konten«, sagte ich
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