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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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erste, jugendliche Regung des Begehrens war stark, aber kurz, und ich hatte ein
merkwürdiges Triumphgefühl, weil ich sie gemeistert hatte. Plötzlich war ich diesem Mädchen, das mir das Gefühl gegeben hatte, nie
von den Fluten der Liebe fortgeschwemmt zu werden, herzlich zugetan. Lust war schließlich nur ein Rausch des Blutes, ein animalischer Trieb, den ich ebenso erfolgreich beherrschen und kontrollieren konnte wie meine Stimme. Das Mädchen war hübsch, aber ich
liebte sie nicht, also war Gott vielleicht doch gnädig gewesen und
hatte mich nicht so gemacht wie andere Jungen. Stolz und Erleichterung durchfuhren mich bei diesem Gedanken, und ich wünschte
mir, Dunica würde aufwachen, damit ich anfangen konnte, ihr für
diese wunderbare Erkenntnis zu danken.
Sie schlug die Augen wieder auf, sah mein Gesicht und wandte
sich hastig und mit einem Schauder ab.
»Ich habe dich noch nie vorher ohne Maske gesehen«, flü
sterte sie.
»Ach, wirklich!« Etwas von meiner warmen Dankbarkeit
schwand dahin und mit ihr jedes Verlangen, sie auszudrücken.
»Dann mußt du die einzige im Lager sein. Vielleicht sollte ich dich
für das Vorrecht einer Privatvorstellung bezahlen lassen.« Angst kehrte in ihre Augen zurück. Ich seufzte, nahm die Maske
auf, die ich unter den Gürtel gesteckt hatte, und setzte sie mit einer
Bewegung auf, die mir zur zweiten Natur geworden war. »Du hast nichts zu befürchten«, sagte ich ruhig. »Ich werde dich
nicht verletzen.
»Aber vorhin . . . hast du gesagt . . . du hast gesagt . . . « »Ach, das!« Gleichgültig zuckte ich die Achseln. »Das war nur,
weil du mich wütend gemacht hast. Ich hasse es, wenn Leute schreien, sobald sie mich sehen. All diese dummen Frauen vor meinem
Käfig, die kreischen und in Ohnmacht fallen – du kannst dir nicht
vorstellen, wie sehr ich das hasse.«
Sie richtete sich ein wenig auf, die Augen noch immer wachsam
auf mich gerichtet, doch sie atmete jetzt leichter, weil die lähmende
Furcht nachgelassen hatte.
»Alle sagen, daß du böse bist, daß du für den Teufel arbeitest
und . . . «
». . . und daß ich einen Drachen reite!« beendete ich verächtlich
den Satz. »Glaubst du wirklich, ich würde bei Javert bleiben, wenn
ich auf einem Drachen reiten könnte?«
Sie lächelte schwach. »Wahrscheinlich nicht. Wie seltsam es ist,
mit dir zu reden, als ob du . . . als ob du wie alle anderen wärst.« Eine kalte Welle von Übelkeit überspülte mich, und plötzlich hatte ich das schreckliche Gefühl, ich müßte gleich losheulen . . . gerade, als ich gedacht hatte, mit dem Weinen für immer fertig zu sein.
Dunicas unbedachte Äußerung brachte mich gleich wieder aus der
Fassung.
»Ich bin wie alle anderen!« herrschte ich sie an. »Innen bin ich
genau wie alle anderen.«
Sie schwieg, starrte mich neugierig an, und ich stellte fest, daß
ich ihrem Blick nicht standhalten konnte. Sie begriff zwar nicht,
was ich ihr sagte, aber wenigstens hatte sie keine Angst mehr vor
mir. Das war ja immerhin etwas.
»Was hast du allein hier gemacht?« fragte ich sie nach einer Weile.
»Warum bist du nicht auf dem Hochzeitsfest?«
»Das geht dich nichts an!« sagte sie trotzig.
Ich sah sie neugierig an.
»Hast du dich mit einem Liebhaber getroffen?« fragte ich dreist. »Und wenn schon.«
»Dein Vater wird dich schlagen und aus dem Lager vertreiben,
wenn er dahinterkommt. Und wo ist dein Liebhaber jetzt?« fragte
ich unbehaglich. »Warum hat er dich hier allein gelassen? Kehrt er
etwa zurück, um dich zu holen?«
Ihr Gesicht verzog sich wütend, und sie schlug mit der geballten
Faust auf den harten Boden.
»Er hat versprochen, mich zu heiraten, dieses spanische Schwein.
Der Teufel soll ihn holen! Ich hoffe, in seiner Hochzeitsnacht
schrumpft seine Männlichkeit zusammen und fällt ab!« Ich war froh, daß ich die Maske trug, denn ich merkte, daß ich
vor Verlegenheit feuerrot geworden war. Drei Jahre unter den Zigeunern hatten mich nicht abgehärtet gegen ihre gesunde Vulgarität.
»Wieso starrst du mich so an?« fragte sie feindselig. »Ich habe dich nicht angestarrt.«
Sie hatte nicht nur keine Angst mehr vor mir, sie schien sich jetzt
auch daran zu erinnern, daß sie mindestens fünf Jahre älter war als
ich. Kühle Zurückhaltung hatte sich in ihre Stimme geschlichen,
und unter ihrem verächtlichen Blick spürte ich mich von Minute zu
Minute jünger und dümmer werden.
»Sie werden bald kommen und nach dir suchen«, sagte ich fürsorglich. »Sie dürfen dich hier nicht

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