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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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meiner Antwort falsch gewesen sein, denn ich hörte nur noch ein plötzliches Einatmen, dann legte er auf. Ich starrte aufs Telefon. Eine hessische Mafia! Kein Wunder, daß die Erpresser es vorgezogen hatten, stumm zu bleiben. Wer hätte sie ernst genommen?
    Ich schob das Telefon zurück in meine Brusttasche und sah zur Decke. Da endete diese Nacht doch tatsächlich noch mit einer Erleichterung. Keine Sprache, die ich nicht verstand, keine Strukturen, die ich nicht kannte, keine Bosse, die ich sonstwo suchen mußte. Sondern eine Liebe-Leut-Connection, wahrscheinlich im Hinterzimmer einer Ebbelwoi-Kneipe ausgedacht; der Chef ein Fleischimporteur oder Gebrauchtwagenhändler oder Rummelbudenbesitzer, der Rest arbeitslose Gerüstebauer und versoffene Sexkinokartenabreißer. >Ei, mache mer doch aach mal e bissi Mafia.< Und ich malte mir aus, wie ich in das Gummibaum-Chrommöbel-Pirellikalender-Büro marschieren und sagen würde: Nein, ich will keinen silbermetallicgespritzten Schrott kaufen, sondern dich fertigmachen. Du hast mich dazu gebracht, jemanden zu erschießen, und du hast einen Bekannten von mir gegrillt. Jetzt werden wir sehen, ob deine Bude auch so gut brennt! Und dann würde ich den Benzinkanister aufschrauben, und der Fettwanst im Zweireiher würde um Gnade flehen, und ich würde Peng, und ich würde Zack, und ich würde… Ehe ich mich fragen konnte, was am Ende eigentlich dabei rauskommen sollte, schlief ich wieder. Und auch die Tatsache, daß der Anrufer, der offenbar eine Art Hausmeister und Telefonzentrale der Gruppe war, weder von den Toten noch vom Feuer gewußt hatte, drang an diesem Morgen nicht mehr zu mir vor.
    Das erste, was mir beim Aufwachen bewußt wurde, war Gestank. Eine Mischung aus Hautcreme und Schmieröl und etwas Chemischem wie gespritzten Grapefruitschalen ohne Grapefruitaroma. Dann rüttelte eine Hand an meiner Schulter, und ich öffnete die Augen. Blinzelnd sah ich einen Kopf, auf dem ein langhaariges Tier saß. Als das Bild schärfer wurde, wandelte sich das Tier zu einer komplizierten, von einem Dutzend Spangen gehaltenen Turmfrisur. Erst dann erkannte ich Gina. Ihre Lippen leuchteten blutrot, und sie trug ein blaues Nadelstreifenkostüm und eine Bluse, deren Knöpfe so wirkten, als könnte ich damit ein paar Monatsmieten in bar bezahlen. Ich glaube, es war seit ihrer Universitätszeit das erste Mal, daß ich Gina frisiert und geschminkt sah und daß sie nicht in einem Overall oder Männerhemd steckte, um an antiken Scherben zu kratzen.
    Damals, vor über zehn Jahren, als Slibulsky Gina kennenlernte, arbeitete sie, um ihr Archäologiestudium zu finanzieren, als Lehrerin an einer Tanz- und Benimmschule. Mit Kenntnissen, die sie als Kind der Frau eines Steuerbeamten, die gerne so tat, als sei sie Madame Monte Carlo anstatt Frau Scheppes aus Bornheim, hatte erwerben müssen, brachte Gina nun ihrerseits Sprößlingen von Frankfurter Feinkostläden- und Damenboutiqueninhabern Knickse und Walzer bei. Dementsprechend hatte sie sich kleiden müssen. Seit mit dem Job Schluß war und Gina es in Fragen des Äußeren so sehr viel legerer angehen ließ, fragte ich mich manchmal, ob die knappen grauen Röcke und die knallenden hohen Absätze jener Zeit vielleicht nicht das Allerunwichtigste gewesen waren, als ihr Slibulsky eines Abends mehrere Liter Champagner eingeflößt hatte.
    Ihr Kasperlegesicht mit spitzem Kinn und langer, gebogener Nase strahlte mich unverschämt gesund und ausgeschlafen an. »Guten Morgen. Tolle Nacht gehabt?«
    Ich wischte mir Schmand vom Mund, räusperte mich und gewöhnte mich an die Tatsache, daß Gina auch heute noch anders aussehen konnte als eine Veranstalterin von Töpferkursen. »Ja, ziemlich toll. Wieviel Uhr ist es?«
    »Halb eins. Slibulsky ist schon ‘ne Weile weg. Hat ’ne Besprechung mit seinen Verkäufern.«
    Auch mit ihren oder um ihre Augen hatte sie irgendwas angestellt. So groß und dunkel waren sie eigentlich gar nicht. Oder hatte ich das nur nie bemerkt, weil ihr sonst immer die Haare ins Gesicht hingen?
    »Er läßt dir ausrichten, du sollst den Wagen erst mal in der Garage lassen, und du sollst dir die Bonbons ansehen.«
    »Welche Bonbons?«
    »Das fragst du mich? Welcher Wagen?«
    Ach ja, ich erinnerte mich, der abendliche Ausgleich: Sag Kayankaya, er soll den Wagen in unserer Garage lassen; und daß die Karre brutalen Gangstern gehört, mußt du nicht wissen, mein Schatz, beten wir einfach, daß du nicht auf die Idee kommst, mit dem schicken

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