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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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stumm.
    “Ich bin zum Turm gegangen”, fuhr sein Vater fort. “Als du volljährig geworden bist, kam ich her. Für dich”, fügte er hinzu. “Du warst nicht der Sohn eines Lords des Barranihofes. Und so konntest du nicht zu einem Teil des Hofes werden.”
    “Vater …”
    “Und hier habe ich meinen Weg verloren, meinen Namen und mein Leben. Und ich habe all diese Jahrhunderte darauf gewartet, dass die Zeit kommt, zu der ich es wiederfinde.”
    Auf seine letzten Worte hin schrien sie alle auf, die ganze Menge der Barrani, die Toten.
    Sie hatte gedacht, die Untoten wären schlimm. Doch das hier war so viel schlimmer, sie konnte ihren Schmerz tatsächlich
spüren
. Wusste, dass sie echt waren. Konnte sie fast beim Namen rufen, so deutlich standen sie ihr vor Augen.
    “Und du bist zu einer Zeit zu uns gekommen, zu der wir fast befreit sind”, flüsterte er. “Wirst du auf mich warten? Wirst du mich verleugnen?”
    Kaylin legte ihre andere Hand auf Samarans andere Schulter und stellte sich hinter ihn. Er hatte sich dem Turm nicht gestellt, und jetzt wusste sie, warum. Aber
dass
er es nicht getan hatte, war jetzt so viel wichtiger.
    Sie hatte ihn hergeführt. Sie hatte ihn, ohne nachzudenken, hergeführt, ohne sich zu sorgen, ohne mit den möglichen Kosten zu rechnen. Und sie hatte
gewusst
, dass sie am Ende der Dunkelheit gegenübertreten würde, vor der die Hohen Hallen eine schützende Festung sein sollten.
    Aber sie hatte nicht gewusst, was sich darin befand.
    Und sich das selbst zu sagen? Machte es auch nicht besser. Weil Unwissenheit keine Entschuldigung war.
    “Andellen.” Sie flüsterte das Wort.
    Es wurde davongetragen, und er drehte sich zu ihr um und sah sie an, als könnte er dieses eine Mal Trost von etwas bloß Sterblichem finden.
    “Du erkennst sie.”
    “Das tue ich”, sagte er mit bitterer Verwunderung. “Sie sind – waren – mein Volk. Einige von ihnen waren meine Sippschaft. Einige waren meine Feinde. Jetzt sind sie vereint.” Und dann zuckte er mit den Schultern, und die Spannung um seinen Mund ließ nach. “Sie sind tot.”
    Sie starrte ihn an, konnte spüren, wie ihr Kiefer schlaff wurde, ihre Augen sich weiteten und ihre Brauen sich bis an ihren Haaransatz erhoben.
    “Sie sind
tot
?”, brüllte sie und schüttelte den armen Samaran fast. “
Sieh sie dir an!”
    “Ich kann sie sehen”, sagte er ruhig zu ihr.
    “Sie sind
nicht
tot – sie sind gefangen!”
    “Sie sind tot”, entgegnete er sanft. “Der Preis ihrer Freiheit ist zu hoch.” Und er wendete sich ab.
    Samaran stieß ein Geräusch aus, das Kaylin noch nie von einem Barrani gehört hatte, nur von anderen Menschen. Anderen Sterblichen. Bei Samaran klang es einfach falsch. “Andellen.”
    Er schloss sich ihr sofort an, gerade als Samaran sich erhob und versuchte, ihre Hände abzuschütteln. Er war größer als sie, und er hatte sie mit sich hochgehoben, als er sich aufgerichtet hatte.
    Andellen schlug ihn, kräftig, mit dem Knauf seines Schwertes.
    Samaran knickte leicht zusammen.
    “Lass dich
nicht
von denen einwickeln”, knurrte er. Verschwunden war die Neutralität, verschwunden die eisige Distanz, mit der Barrani normalerweise ihre Wut ausdrückten.
    Einwickeln?, wollte Kaylin brüllen. Die wollen ihn nicht einwickeln – die wollen …
    Und sie zögerte.
    Weil es stimmte. Sie wollten es nicht. Sie waren die Summe der Jahrhunderte, die sie hier, an diesem schrecklichen Ort, verbracht hatten. Es war die Hölle. Und die Hölle stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben, im Herzen ihres Seins. Es war ihr Schicksal.
    Es sei denn, jemand konnte sie hinausführen.
    Oh, das Begehren war stark und furchtbar. Aber das ungute Gefühl, dass danach die Wilden und die anderen Kreaturen kommen würden, war stärker.
    Sie sah den Lord der grünen Auen an. Den Einzigen von ihnen, den
Einzigen
, der fehl am Platze erschien. Und sie sprach mit ihm, auch wenn ihre Stimme vor Wut zitterte. “Du bist kein Barrani”, fuhr sie ihn an. “Du magst hier gefangen sein, aber du bist kein Barrani.”
    “Ich bin fast, wie du mich siehst”, sagte er mit einem Lächeln. Und er hob seinen Blick. “Und die Zeit ist nah, da ich noch mehr sein werde.” Sein Lächeln veränderte sich, sein Gesichtsausdruck schien in die Ferne zu rücken. Oder gelangweilt zu werden.
    Dann wusste sie es.
    “Andellen, nimm Samaran. Zeit zu gehen.”
    Severn betrachtete schweigend die Kreatur, die nicht ganz der Lord der grünen Auen war.
    “Du bist leider

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