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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Macht geht.”
    “Ihr seid
Barrani”
, stieß sie hervor.
    Sein Lächeln war etwas bitter. “Ich weiß, was ich bin”, belehrte er sie ruhig.
    “Wie viele der Lords sind alt genug und haben genug Macht, um einen solchen Namen zu tragen?”
    “Keiner.”
    “Es kann nicht keiner sein. Nachweislich ist diese Annahme falsch.”
    “Wie du meinst.” Er stellte sein Glas ebenfalls ab. “Wir werden heute Abend im engsten Kreis des obersten Lords dinieren.”
    “
Dinieren?”
    “So sagt man doch, oder nicht? Eine Mahlzeit am Abend.”
    “Jetzt?”
    “Nein. In vielleicht drei Stunden.”
    “Ihr wisst, was ich meine.”
    “Ja, Kaylin. Es wundert mich, dass nicht auch die Wände ihr Verstehen bekunden.” Er verbeugte sich. Es war knapp, aber trotzdem elegant. “Ich komme zu der genannten Zeit wieder zu dir. Solltest du es wünschen, kannst du dich in den Hallen frei bewegen – aber du wirst deine Wachen mitnehmen, solltest du von dieser Freiheit Gebrauch machen.”
    Sie verstand die Barrani einfach nicht.
    Stattdessen schleuderte sie ihr Glas gegen die sich hinter dem Lord schließende Tür.
    Andellen wartete einige Minuten, in denen er die goldene Flüssigkeit anstarrte, die langsam in den Teppich sickerte. Die Teppiche hatten eine tiefe, burgunderrote Farbe, aber sie waren, wie sie feststellte, aus Strängen verschiedenster Materialien geschaffen, die der Oberfläche Struktur verliehen. Die wie Schrift aussah.
    “Kaylin Neya”, sagte der Barrani, als sich im Raum Schweigen ausbreitete, “das hast du wenig geschickt gelöst.”
    Sie fühlte sich aufmüpfig. Und Entschuldigungen brachten sowieso nichts, der Lord der Westmarsche hatte sie schon verlassen. “Das kann nicht sein Ernst sein! Die Feiertage beginnen in zwei verdammten Tagen!”
    “Das weiß er.”
    “Und sein Bruder …”
    “Er
weiß
es, Kaylin. Aber er ist der Lord der Westmarsche, und er hat seine Pflichten.”
    “Und eine davon ist
essen
? Bei einer Versammlung unnützer …”
    “Der Mächtigen”, sagte Andellen ruhig. “Der Lords des Barranihofes.” Er blickte zu den Türen. “Du bist seine
Kyuthe
. Dir fällt die Last zu, seine Verantwortungen zu verstehen. Du bist hier ein Außenseiter. Du kannst nicht – niemals – alles begreifen. Das ist deine Stärke, auch wenn es ebenfalls deine Schwäche ist. Jedes deiner Missgeschicke wird auf den Lord der Westmarsche zurückfallen, aber weil du bist, was du bist, wiegen sie weniger schwer. Du bist bloß eine Sterbliche.”
    “Du meinst, ich kann …”
    “Du kannst gehen, wohin er nicht gehen kann.” Andellen schloss seine Augen. “Man wird dich beobachten, weil du zu Lord Nightshade gehörst. Aber nach der Vorstellung im engsten Kreis des Lords wird niemand mehr behaupten, dass Nightshades Anspruch der höhere ist. Er war, während er noch ein Lord dieses Hofes war, dem Lord der Westmarsche nie ranggleich.”
    Kaylin hörte ihn kaum, sie musste nachdenken.
    Sie verstand Magie nicht. Sie akzeptierte dieses Unwissen als Fehler – ihren eigenen. Sie hatte das Studium als unpraktisch und lähmend empfunden. Sie hatte gedacht, die Bücher und Schriften, die man ihr in gelangweiltem – und langweiligem – Barrani vorlegte, waren unter ihrer Würde. Getrennt von den Pflichten, die sie sich ausgesucht hatte.
    Aber auch wenn sie unwissend war, sie hatte ihre Quellen.
    “Wo ist Severn?”

12. KAPITEL
    S evern war von den blöden Fenstern wie hypnotisiert. Sie wollte ihm etwas an den Kopf werfen, aber bei ihrem Glück würde sie danebenzielen, und zerbrochenes Glas in
diesen
Räumen konnte sie sich wirklich nicht leisten. Sie musste sich ihre Fehltritte aufsparen, bis sie sie brauchte. Auch in Kaylins Welt fiel ein kurzer Wutanfall nicht in diese Kategorie.
    Andellen war mit der Wand verschmolzen. Severn bemerkte ihn, aber er ignorierte ihn, soweit man über einen bewaffneten Barrani im Rücken hinwegsehen konnte. Sie wartete, während Severn an der Buntglasscheibe entlangging und ihre Oberfläche mit so etwas wie Staunen berührte. Die Farben, die das wenige Licht, das durch sie hindurchfiel, filterten, veränderten die Züge seines Gesichts, die Farbe seiner Uniform. An seinem Schweigen änderten sie nichts.
    Sie zählte bis zehn. Und dann noch einmal. Nach dem dritten Mal hatte das Ritual jegliche Wirkung verloren. “Lass doch mal das Glas”, fuhr sie ihn an.
    Er drehte sich sofort um.
    Und sie bedauerte ihre Worte. Sein Gesicht war blass und sein Mund fest zusammengepresst, wie um

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