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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Macht, für Kaylin vielleicht sogar noch mehr, weil seine Flugkraft getestet worden war, und er nicht ins Wanken geriet.
    “Das ist ein Falke”, sagte Catti mit gedämpfter Stimme.
    Severn musste sich hinabbeugen, um Catti in die Augen zu sehen, und sein Gesichtsausdruck war vollkommen ernst. “Ja”, sagte er leise, “und die meisten Menschen – so wie Kaylin – müssen sich erst das Recht erwerben, ihn zu tragen. Du bist mutig gewesen, Catti. Für heute hast du es dir verdient, das Emblem zu tragen. Das macht dich für den Augenblick zu einem Falken, und Falken sprechen über solche Dinge nicht.”
    Sie nickte.
    Kaylin lächelte, weil sie wusste, was die nächste Frage sein würde.
    “Auch nicht mit Marrin?”
    “Marrin ist eine Ausnahme”, räumte Severn ein. Er stand auf. “Lord Tiamaris”, sagte er, in einem Tonfall, den Kaylin von ihm noch nie gehört hatte. Sie hätte gewettet, dass er so nicht einmal mit dem Wolflord selbst sprechen konnte.
    Sie drehte sich um. Eingerahmt zwischen zerklüfteten, schiefen Steinen stand Tiamaris. Verschwunden waren Flügel, breiter Kiefer, langer Schwanz, verschwunden waren bronzene, glitzernde Schuppen. Er hatte wieder Hände und Füße – nackte Füße, schwarz vor Ruß. Er hatte nicht viel an. Und nicht einmal Severns Ausstattung hätte ihn bedecken können.
    “Catti”, sagte sie leise, “bleib bei Severn.” Sie sah zu Severn, doch etwas in seinem Gesicht ließ sie den Blick abwenden. Aber er sagte nichts, als sie zurück zu Tiamaris ging.
    Er war … versengt. Er blutete. Sein Gesicht hatte Prellungen, und sein Kiefer sah aus, als wäre er von ungefähr hundert der besten Schläger des Koloniallords in den Boden gerammt worden. Aber seine Augen waren rot, ein strahlendes Rot, das mit Rubinen nichts gemeinsam hatte.
    “Tiamaris”, sagte sie und streckte ihre Hand nach ihm aus.
    “Nicht”, war seine knappe Antwort. Er trat zurück, und sie wäre ihm gefolgt, aber etwas in seiner Stimme sprach immer noch von der nachhallenden Kraft einer anderen Art.
    “Lord Tiamaris”, wiederholte Severn mit klarer und knapper Stimme hinter Kaylins Rücken.
    Die inneren Lider des Drachen hoben sich, bedeckten seine Augen und dämpften ihre Farbe. Als Nächstes senkten sich die äußeren Lider, und sein Gesicht verzog sich zu etwas, das Schmerz hätte sein können. Kaylin fiel auf, dass sie wirklich,
wirklich
wenig über Drachen wusste und dass sie sein Gesicht nicht lesen konnte – aber sie war klug genug, keine Fragen zu stellen. Doch sie beobachtete, wie bronzene Schuppen, so groß wie kleine Schilde, sich durch seine Haut gruben, sich flach auf seine breite, aber doch menschliche Brust legten, und nach unten fortsetzten.
    Als er die Augen öffnete, bemerkte er, dass sie ihn anstarrte, und er bot ihr etwas, das sich wie die Erinnerung an ein Lächeln anfühlte, das man mit einem einfachen Blick nicht einfangen konnte. “Kaylin Neya.” Er sprach den Namen, als wäre sie kein Teil davon.
    Aber sie nickte dennoch.
    “Ich entschuldige mich bei dir und bei deinem Schützling, aber ehe wir Catti in die Findelhallen zurückbringen, müssen wir uns in die Gesetzeshallen begeben.” Sie nickte wieder, ging auf die eingefallene Mauer zu und merkte, dass es einen Grund gab, warum er sich noch nicht bewegt hatte.
    “Im Namen der Macht, die mir übertragen wurde”, sagte er ihr fast behutsam, “muss ich dir den Einlass verwähren.”
    “Aber die Falken müssen doch sehen, was –”
    “Nein”, sagte er leise. “Das müssen sie nicht.” Er wartete, bis er sich sicher war, dass sie seinem Befehl gehorchen würde. Und weil er verletzt war, weil sie
wusste
, dass er eigentlich in die Krankenabteilung gehörte – egal welche der drei – und zwar so schnell, wie man ihn nur bringen konnte, gehorchte sie.
    Erst, als sie zurück auf den Straßen der Kolonien waren – die eher einer Erinnerung an echte Straßen glichen – merkte sie, dass er nicht gesagt hatte,
wer
ihm seine Macht übertragen hatte.
    Ehe sie es geschafft hatten, zur Brücke zu gelangen, die Sicherheit bedeutete – wenn man nicht in der Kolonie Nightshade zu Hause war – fielen Schatten über den Boden. Keine Schatten von Gebäuden, die bewegten sich nur etwa so schnell wie die Sonne auf ihrem Weg über den Horizont.
    Doch diese Schatten ließen Kaylin in stummer Freude aufblicken, denn sie wurden von Aerianern geworfen, der deutlichsten Verkörperung des Namens des Lords der Gesetze, dem sie diente. Sie

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