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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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leise hinzu. Sie glaubte, es müsse sie umbringen, den Namen auszusprechen.
    Aber nur die Guten starben jung.
    “Innerer Arm, Ellenbogen bis Handgelenk. Rechts und links.”
    Der Spiegel hatte einen Augenblick lang Mühe. Kaylin wusste nicht, wie die Magie genau funktionierte, und es war ihr auch ziemlich egal. Die natürliche Neugier eines Magiers war nie Teil ihres Lebens gewesen. Sie machte ihren Job. Sie machte ihn gut. Sie stellte nicht zu viele unnötige Fragen. Na ja, gut, sie versuchte es zumindest.
    Die Tätowierungen erschienen in scharfen, hellen Farben: schwarz und weiß. Sie hasste die Blässe toter Haut.
    “Tina?”, sagte der Magier leise. Er war offensichtlich kein regelmäßiger Besucher, wenigstens nicht für diese Akten.
    “So hieß eines der Opfer”, antwortete Kaylin mit der Stimme, die sie für Leute aufsparte, die ihr zu lange auf dem Offensichtlichen herumritten.
    Callantines Stirnrunzeln machte deutlich, wie gut es ihm gefiel, herablassend behandelt zu werden. “Familienname?”
    Severn antwortete, ehe Kaylin es konnte, was wahrscheinlich gut war. “Sie wurde in den Kolonien geboren”, sagte er ruhig, ohne sich mit seinen kühlen Worten zu entschuldigen und ohne Herablassung. Seine Narben sprachen eine andere Sprache, sie waren noch weißer als sonst.
    “Ah, natürlich, natürlich. Fahre fort”, sagte Callantine.
    Aber Red ignorierte ihn für den Augenblick. “Tiamaris?”, sagte er, nur eine Spur von Zögern vor dem Namen. Kaylin speicherte es für später ab.
    “Die gleichen Zeichen”, sagte der Drache. Seine Stimme war ausdruckslos. Kaylin fragte sich, ob das bei den Drachen ein Zeichen von Erschöpfung war. Die Spezies war für sie das reinste Mysterium. Sie wollte, dass das auch so blieb. Schließlich war der Kaiser ein Drache, und nichts, was sie je im Büro über ihn belauscht hatte, passte auf die Worte “sanftmütig” oder “gnädig.”
    “Reginald”, sagte Lord Grammayre leise, “das wäre dann alles. Callantine und seine Assistenten werden den Körper jetzt untersuchen.”
    An jedem anderen Tag hätte Kaylin ein Lachen nicht unterdrücken können.
Reginald.
Red allerdings ignorierte den Namen einfach, nahm seine Skalpelle und seine Handschuhe, und verließ den Untersuchungstisch. Wenn man es verlassen nennen konnte, sich keine zwei Meter entfernt neben die Leiche zu stellen.
    Egal, was man sonst über Callantine sagen konnte, er war eindeutig ein Meister seiner Zunft. Er machte keine großen Gesten, er murmelte nicht – und Kaylin wusste aus den kurzen Lektionen darüber, wie man Magie erkannte, ehe sie einen umbrachte, dass es entweder große Macht bedeutete, seine eigene Konzentration so beeinträchtigen zu können, oder Sicherheit. Meistens beides.
    Er
berührte
beide Arme des Jungen. Sie wollte seine Hände wegreißen und ballte ihre eigenen zu Fäusten. Weil es nicht vernünftig war, keinen Sinn ergab, und ihr mit Sicherheit bloß Ärger einbringen würde.
    “Sie sind wie die anderen Zeichen”, sagte der Magier, nachdem einige Augenblicke schweigend vergangen waren. “Sie sind keine … Tätowierungen im traditionellen Sinne des Wortes. Sie sind nicht aus Tinte und Farbe gemacht.”
    “Aus was dann?”, fragte Kaylin.
    Callantine hob eine Augenbraue und bat den Falkenlord mit einem Blick um Erlaubnis, ihre Frage beantworten zu dürfen. Der Falkenlord nickte grimmig.
    “Fleisch”, antwortete er. “Unsere Sprüche zeigen keinen Unterschied zwischen den Symbolen und der Haut. Gäbe es nicht die offensichtlichen Zeichen, würde Magie sie überhaupt nicht aufspüren.”
    “Aber sie sind doch erst durch Magie dort.”
    Er senkte seine Augenbrauen. Kaylin hatte es nur knapp geschafft, nicht anklagend zu klingen. “Ja”, sagte er knapp. “Magie.”
    “Wessen?”
    “Wenn wir darauf eine Antwort hätten”, antwortete der Magier, dessen Haltung langsam ins Wanken geriet, “gäbe es keine weiteren Toten.”
    Und da wurde Kaylin klar, dass dieser arrogante, schleimige, aufgeblasene Bastard tatsächlich einer von den Guten war. Er war kein Falke, aber er wollte das Gleiche wie die Falken. Verdammt, dachte sie, er wollte, was
alle
Untergebenen der Gesetzeslords wollten. Sie würde mit dem Hurensohn vielleicht nichts trinken gehen, aber sie konnte mit ihm arbeiten. Launenhaftigkeit konnte sie sich nicht leisten. Sie wollte es sein, aber leisten konnte sie es sich nicht.
    Sie zögerte nur einen Augenblick. Nein, um ehrlich zu sein, viel länger. Dann begann

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