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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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richtige Tag ist, um Zeit mit ihm zu verbringen. Dreh dich um und geh nach Hause. Er wird es dir nicht übel nehmen, so einer ist er nicht. Aber ich glaube, er muss ein wenig da in der Ecke sitzen und alleine sein.”
    “Wahrscheinlich”, sagte sie trocken, “aber wenn ich aus der Tür gehe, wird er es nicht. Da sitzen bleiben, meine ich”, fügte sie hinzu. “Ich bin ein Falke, ich kann auf mich aufpassen. Aber danke für die Warnung.”
    Severn war vollkommen still. Die Stille war einfach … nervenaufreibend. Sie starrte von der Seite sein Gesicht an, die blasse weiße Linie, die von seinem Ohr bis zu seinem Kinn führte. Daran waren Wilde schuld.
    Sie erinnerte sich genau daran, es war das erste Mal gewesen, dass sie ihre heilende Gabe eingesetzt hatte, und es war reiner Zufall gewesen. Und jetzt? Wenn es heute noch einmal geschah, konnte sie ihn berühren, ehe die Blutung aufhörte, und er würde nicht einmal eine Narbe zurückbehalten.
    Aber sie würde ihn nicht heilen.
    Sie starrte ihre Hände an und zwang sich, ihren Blick von seinem Gesicht zu lösen. “Das hier wäre der reinste Luxus gewesen”, sagte sie ohne nachzudenken.
    “Du hast seine Kochkünste noch nicht probiert. Sei nicht so voreilig.”
    Sie sah auf, ein Lächeln hatte seine Augen verknittert, ohne seine Lippen zu erreichen. Es war da und schon wieder weg. “Severn –”
    “Du hast dich nicht verändert.”
    “Aber du?”
    “Nicht viel.”
    Es folgte eine lange, unangenehme Stille.
    Burlan – sie wollte wirklich gerne wissen, welchen Namen er bei seiner Geburt erhalten hatte, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass er schlimmer war – stellte zwei große Schüsseln in die Mitte des Tisches, gefolgt von zwei Löffeln und großen Lumpen, die so unregelmäßig waren, dass es einen Augenblick dauerte, ehe Kaylin sie als Mundtücher erkannte. Falls sie das waren. Sie blickte sie misstrauisch an.
    Ihr Magen war weniger wählerisch. Sie aß, nur, damit er still war.
    Aber während sie kaute – und das Fleisch in dem dicken Eintopf war erstaunlich frei von Fett, Knorpeln und Knochen –, fiel ihr etwas auf. “Severn, wann genau hast du um deine Versetzung gebeten?”
    Er sah ihr eine Weile beim Essen zu, ehe er seinen Löffel nahm. Das bedeutete natürlich, dass er nicht antworten würde.
    “Nach dem ersten Toten, oder?”
    Er kaute langsam. Als würde er dabei zählen.
    “Woher hast du davon gewusst?”
    “Es ist kein Geheimnis.”
    “Es ist ein offenes Geheimnis. Es wird nicht viel darüber geredet, auch nicht bei den Falken. Die Wölfe wurden zur Jagd geschickt – wir hätten gewusst, wenn sie in die Kolonien gegangen wären. Verdammt, sogar die Schwerter müssten es wissen. Wie?”
    “Iss einfach, Elianne.”
    “Kaylin.”
    “Dann eben Kaylin.”
    “Du hast darauf gewartet.” Es war eine Anklage. Sie konnte nicht anders. Alle Wut, die sie sich im Untersuchungszimmer verkniffen hatte, war nach innen gegangen, und ihre Wut hatte die schlechte Angewohnheit, zu bleiben.
    “Hier ist nicht der richtige Ort”, sagte er leise.
    “Hier ist genauso gut wie überall sonst.” Stimmte nicht. Überhaupt nicht. Sie biss sich auf die Lippe. Aber seine Stille und sein unberührter Gesichtsausdruck waren mehr, als sie vertragen konnte. Und sie dachte, sie hätte diese Prüfung mit wehenden Fahnen bestanden. “Du wusstest es. Du wusstest, es würde wieder anfangen.”
    “Nein”, sagte er ihr und aß mit bewussten, langsamen Bewegungen weiter. “Wusste ich nicht.”
    “Du hast es vermutet.”
    “Und du nicht?” Verachtung. Das erste echte Gefühl, das er sich erlaubte. Nicht ganz, was sie gewollt hatte, aber besser als nichts.
    “Nein.”
    “Du hast dich versteckt”, sagte er. “Darin bist du immer gut gewesen.”
    “Nach dem ersten Toten”, wiederholte sie und ignorierte seinen Kommentar.
    Er knirschte mit den Zähnen und nickte.
    “Wie lange hast du gewusst, dass ich bei den Falken bin?”
    “Lange genug.”
    “
Wie
lange?”
    “Sechs Jahre.”
    Sie ließ ihren Löffel fallen. Suppe schwappte über den flachen Rand der Schüssel. “Sechs
Jahre
?”
    “Ungefähr.”
    “Und du hast nie etwas gesagt?”
    Dieses Mal war sein Lächeln messerscharf.
    Sie zögerte. “In Ordnung, das habe ich verdient. Du wusstest, dass ich versuchen würde –”
    “Ja. Das wusste ich.”
    “Ich wusste nicht, dass du ein Wolf warst.”
    “Du hast nicht nach mir gesucht.”
    “Nein. Ich dachte, ich hätte dich hinter mir

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