Keeva McCullen 2 - In den Klauen der Sukkubus (German Edition)
er.
Theobald stand auf und deutete seinem Enkelsohn ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie in das Nebenzimmer. Hier befand sich die kleine Silberschmiedewerkstatt, in der die Schmuckstücke entstanden, die Shane verkaufte. Und in der er selbst immer wieder arbeitete.
Sein Großvater ging zu einem schmalen, mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Holzkasten, der in einem Regal an der Wand stand. Er öffnete ihn, nahm das neu gefertigte Amulett in die Hand und reichte es seinem Enkel.
„Hänge es einmal um“, forderte er ihn auf.
Shane tat es und sah seinen Großvater fragend an.
Dieser schloss für ein paar Sekunden die Augen, öffnete sie wieder und schüttelte mit einem Ausdruck des Bedauerns den Kopf.
„Nein, der Schutzzauber wirkt noch nicht hundertprozentig“, meinte er. „Ich kann dich noch immer lokalisieren. Gib mir noch ein paar Tage Zeit.“
Shane seufzte, nahm das Amulett wieder ab und gab es seinem Großvater. Dieser legte es zurück in den geheimnisvollen Kasten, murmelte ein paar Worte in einer uralten Sprache und verschloss das Behältnis sanft.
Er wandte sich erneut seinem Enkel zu.
„Und halte dich während dieser Zeit von Dämonen fern“, meinte er mit einem Augenzwinkern. „Und von jungen, hübschen Dämonenjägerinnen.“
„Glaubst du, dass sie das Ritual durchgeführt hat?“, fragte Shane erschrocken.
Theobald Truax schürzte die Lippen, schüttelte dann aber den Kopf.
„Nein, das ist unwahrscheinlich“, sagte er. „Das würde sie noch zusätzlich gefährden. Aber ihr Großvater - und ihr Vater erst recht - könnten dich aufspüren, wenn du ihnen zu nahe kommst.“
*
Keeva saß genervt vor ihrem Laptop. Es war Montag Nachmittag und sie war gerade von Covent Garden zurückgekehrt. Der Stand mit dem Silberschmuck war auf dem dort täglich stattfindenden Markt jedoch nicht zu entdecken gewesen. Also blieben nur die anderen Flohmärkte – und der nächste, den sie besuchen konnte, fand erst am Freitag statt, vorher hatte sie keine Zeit dafür.
Sie lehnte sich zurück und surfte lustlos ein wenig im Netz. Eine lokale Nachricht fesselte ihre Aufmerksamkeit: eine grässlich zugerichtete Leiche war in einem Hinterhof inmitten von London gefunden worden. Die Polizei suchte nach Hinweisen über die Identität des Toten – es handelte sich um einen Mann -, vermutete aber, dass es sich bei dem Opfer um ein Mitglied der hiesigen Drogenmafia handelte, das im Zuge irgendeiner Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Banden zu Tode gekommen war.
Keeva verzog den Mund. Wenn die Polizei von einer Auseinandersetzung zwischen Drogenbanden sprach, dann hieß das, dass sie absolut im Dunkeln tappte. So hatte es jedenfalls Edward Skeffington, Vaters langjähriger Freund und Inspektor bei New Scotland Yard, immer dargestellt. Auf diese Art und Weise geriet die „normale“ Bevölkerung wenigstens nicht gleich in Panik.
Keeva überflog die Beschreibung der Verletzungen. Anscheinend waren dem Mann unzählige kleine Schnitte beigebracht worden, die jedoch für sich genommen nicht tödlich waren. Das Opfer war vielmehr an den Folgen des dadurch hervorgerufenen enormen Blutverlustes gestorben – und vermutlich erst eine ganze Weile nach der Folter. Das Ungewöhnlichste war, dass an der Leiche keinerlei Spuren zu finden waren, die auf irgendeine Gegenwehr von Seiten des Mannes hinwiesen.
Kaum vorstellbar, dachte Keeva. Da wird jemandem langsam die Haut abgeschält - und der wehrt sich überhaupt nicht. Sie schüttelte sich. Wahrscheinlich war es tatsächlich eine Sache zwischen diesen Drogentypen und das Opfer war vollkommen weggetreten.
Sie sah auf die Uhr und schaltete das Laptop aus. Noch hatte sie zwei Stunden freie Bahn, ehe Vater den Laden schließen und ins Haus kommen würde. Das wollte sie ausnützen, um im Keller noch ein paar Tränke zu brauen. Und ein paar Zielübungen mit ihrer Armbrust konnten auch nicht schaden.
*
Lucas stand im Wohnzimmer seiner Wohnung, die er – da Oliver und Thomas ja aus dem Weg geräumt waren - für sich und seine Begleiterin alleine hatte.
Er sah voller Ungeduld aus dem Fenster. Wann wurde es denn endlich dunkel? Er spürte den Appetit des wunderschönen Wesens hinter ihm - stärker, als seinen eigenen Hunger.
Seit Tagen wandelte er wie in einem märchenhaften Traum, von dem er wünschte, dass er nie endete. Sein Unterbewusstsein registrierte zwar das Blut auf dem Boden des Zimmers, er roch den üblen Gestank, der von dort - und
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