Kehraus fuer eine Leiche
verstehst mich nicht!« Ich nehme seine Hände, die meine immer noch streicheln, und drücke sie fest. »Darum geht es doch. Um die Sprache, meine ich. In Berlin sagt man einholen für einkaufen, ist mir in der Aufregung so rausgerutscht! Frau Pee wollte Plunderstücke kaufen.«
»So ein Unsinn«, murmelt Marcel kopfschüttelnd. »Was soll das bedeuten? Du musst dich schon deutlicher ausdrücken; wir sind hier nicht in Berlin.« Er wiederholt: »Frau Pee wollte Krempel kaufen. Das tut doch jeder. Na und?«
»Nicht in einer Eifeler Cafeteria!«, rufe ich und dämpfe sofort meine Stimme. »Genau das ist es! Weil du es auch nicht verstehst, habe ich recht!«
»Ich gebe auf«, sagt er. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Einholen, Krempel …«
»Nicht Krempel. Plunder. So heißt ein Kuchenstück, Marcel«.
»Habe ich noch nie gegessen.«
»Doch. Du nennst es anders. Ein Teilchen aus Hefeteig.«
»Warum sagst du das nicht gleich? Und was hat das mit Frau Prönsfeldt, den Morden und der bösen Geschichte mit den Mädchen zu tun?«
»Du bist schwer von Begriff, Marcel! Frau Pee hat in der Cafeteria Plunder bestellt. Sie kommt nicht von hier, nicht aus der belgischen Eifel, verstehst du jetzt, was ich meine?«
Er denkt einen Augenblick nach, zuckt mit den Schultern und sagt: »Stimmt. Sie ist nicht im Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft geboren, falls du das meinst. Aber das macht sie doch noch lange nicht verdächtig.«
»Vielleicht doch.«
»Nur, weil sie nicht von hier kommt?«
Sein Blick spricht Bände. Ich bin schlimmer als der misstrauischste Einödbauer der hintersten Eifel. Wenn alles auseinanderbricht, sind immer die Zugezogenen schuld. Marcel hat ja recht: Ich möchte den Prönsfeldts etwas anhängen. Weil ich es unverzeihlich finde, was ihre Töchter durchgemacht haben. Gänzlich unglaubwürdig, dass den Eltern deren Doppelleben entgangen sein soll. Wenn Herrn Pee schon nichts nachzuweisen ist, muss seine Frau genauer unter die Lupe genommen und jeder Stein, auf den sie je getreten ist, umgedreht werden. Irgendein Gewürm wird man darunter schon finden.
»Wo kommt sie denn her?«, frage ich.
»Weiß nicht mehr. Aus einer Kleinstadt in Deutschland, nicht weit von Köln, glaube ich.«
»Köln!«, rufe ich. »Wieso habt ihr diesen Anhaltspunkt nicht weiterverfolgt?«
»Wie sollte uns das in der aktuellen Lage weiterführen? Außerdem ist das nichts Besonderes. Viele Bewohner der DG kommen aus Deutschland. Köln liegt vor unserer Haustür. Wenn meine jungen Kollegen rausgehen wollen, fahren die nicht nach Brüssel oder Trier. Die fahren immer nach Köln.«
»So weit weg für einen Abend raus?«, frage ich erstaunt.
»Das ist hier normal«, gibt er zurück.
Wenn ich als junger Mensch gefeiert habe, hätte ich dafür nie eine zweistündige Fahrt in Kauf nehmen müssen. Das wäre in der geteilten Stadt, in der ich aufgewachsen bin, auch nur möglich gewesen, wenn ich im Kreis herum oder gleich nach Westdeutschland gefahren wäre.
»Aber es lohnt sich doch, der Sache nachzugehen?«, frage ich etwas verloren. »Vielleicht kommen wir über sie an ihren Mann heran. Obwohl es bei diesen scheußlichen Dingen immer heißt, dass die Mütter nichts wissen oder nichts wissen wollen.«
»Könnte gut sein, dass sie über ihre Töchter mehr weiß, als sie uns sagt«, gibt er zu. Und dann beginnt er mir endlich zu erzählen, was bei der Vernehmung in Prüm herausgekommen ist.
Er macht es kurz.
»Mit den Morden kann keiner in der Familie was zu tun haben. Alle haben für beide Tatzeiten bombensichere Alibis.«
Als Steffen Meier das Zeitliche segnete, war Herr Pee beim Frühschoppen in Ormont. Viele Zeugen sagten aus, dass er da keine Runde ausgegeben hat. Frau Pee hat bis zum späten Sonntagnachmittag den Tierarzt auf dem Hof beschäftigt, der das nicht nur bestätigte, sondern auch versicherte, Pia sei nicht von der Seite eines kranken Pferdes gewichen. Patti habe mit einer Grippe im Bett gelegen. Aber auch sie hat der Tierarzt gesehen: Als Frau Pee ihm am Nachmittag einen Kaffee aufbrühte, war das käsebleiche, sichtlich kranke Mädchen in ihrem Nachthemd aufgetaucht und hatte in der Küche ihr Inhalationsgerät mit kochendem Wasser aufgefüllt.
Ein noch besseres Alibi hat die gesamte Familie Pee für den Mord an Reinhold Wirzig: Zum Zeitpunkt seines gewalttätigen Ablebens hatten alle mit mir zusammen in der Einkehr Sekt getrunken.
»Es wäre dir doch aufgefallen, wenn der Mann verschwunden
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