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Kein Alibi: Roman (German Edition)

Kein Alibi: Roman (German Edition)

Titel: Kein Alibi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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geringsten
Hauch von Diplomatie hatte er ihr kerzengerade in die Augen geschaut und sie des Mordes bezichtigt. Nur ein Mensch, der sich seiner Sache absolut sicher ist, konnte so entschlossen und ohne Emotionen sein.
    Dagegen wäre Steffi Mundell am liebsten vor Schadenfreude auf und ab gehüpft und hätte in die Hände geklatscht. Auf Grund ihrer Erfahrung konnte Alex haargenau sagen, dass die Ermittler sicher waren, die Situation stünde für sie definitiv günstig.
    Aber diese Reaktionen waren für sie nicht so wichtig wie die von Hammond Cross. Mit einer Mischung aus Vorahnung und Furcht wandte sie sich zur Tür und schaute ihn an.
    Er lehnte mit einer Schulter an der Wand, hatte die Füße an den Knöcheln übereinander gelegt und die Arme vor der Brust gekreuzt. Die geradere Augenbraue zog nach unten. Es wirkte fast bedrohlich. Einem ungeschulten Auge wäre er vielleicht wie ein Mensch erschienen, der sich wohl, ja fast sorglos fühlt. Aber Alex erkannte sofort die Emotionen, die gefährlich dicht unter der Oberfläche brodelten. Er war bei weitem nicht so entspannt, wie er tat. Die gesenkten Lider, das verspannte Kinn waren untrügliche Kennzeichen. Seine verschränkten Arme und Beine signalisierten keine lässige Pose.
    Vielmehr schienen sie das Einzige zu sein, was ihn noch zusammenhielt.

20
    Er wäre die Traumbesetzung für die Rolle des »Schwachkopfs« gewesen. Erstens wegen seines Namens – Harvey Knuckle, das Knöchelchen. Na, du Knochengerüst. Harvey, was hast du denn heute auf dem Pausenbrot? Schweinsknochen? Dann wollen wir mal die Knöchelchen springen lassen. Klassenkameraden und später Kollegen hatten jede Menge dieser Witzchen auf Lager, und alle waren gnadenlos gewesen.
    Zusätzlich zu seinem Namen sah Harvey Knuckle auch noch
so aus. Alles an ihm passte zum Klischee. Er hatte dicke Brillengläser, war blass und dürr und mit einem chronischen Nasentröpfchen geschlagen. Tagtäglich trug er eine Fliege. Wenn es in Charleston kalt wurde, trug er handgestrickte Pullover mit V- Ausschnitt unter Tweedjacketts, die im Sommer gegen kurzärmelige Hemden und Seersuckeranzüge ausgetauscht wurden. Sogar sein einziges Talent entsprach ironischerweise einem Klischee: Er war ein Computergenie. Dieselben Leute im Rathaus, die sich am lautesten über ihn lustig machten, waren ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wenn ihre Computer streikten. »Ruft Knuckle. Schafft ihn her«, lautete der allbekannte Refrain.
    Am Dienstagabend betrat er die Shady Rest Lounge, schüttelte seinen nassen Regenschirm aus und blinzelte ängstlich in den Tabakqualm.
    Loretta Boothe, die nach ihm Ausschau gehalten hatte, verspürte einen Hauch von Mitgefühl. Harvey war ein unsympathischer kleiner Einfaltspinsel, aber im Shady Rest hatte er keine Chance. Obwohl er sah, dass sie auf ihn zusteuerte, entspannte er sich nur geringfügig.
    »Ich dachte schon, ich hätte die falsche Adresse notiert. Was für ein schrecklicher Ort. Selbst der Name klingt wie ein Friedhof.«
    »Danke, Harvey, dass du gekommen bist. Schön, dich zu sehen.« Noch ehe er türmen konnte, was er anscheinend gerade tun wollte, packte ihn Loretta am Arm und schleppte ihn zu einer Nische. »Willkommen in meinem Büro.«
    Noch immer nervös, verstaute er seinen nassen Schirm unter dem Tisch, richtete seinen Jackettkragen und schob die Brille auf die lange schmale Nase. Inzwischen hatten sich seine Augen ans Zwielicht gewöhnt. Nachdem er die übrigen Besucher näher unter die Lupe genommen hatte, schauderte es ihn. »Hast du keine Angst, allein hierher zu kommen? Offensichtlich handelt es sich bei der Kundschaft um den Abschaum der Gesellschaft.«
    »Harvey, ich gehöre zu dieser Kundschaft.« Beschämt fing er an, eine Entschuldigung zu stottern.
    Loretta lachte. »Ich nehm’s nicht übel. Entspann dich. Du brauchst jetzt was zu trinken.« Sie winkte dem Barkeeper.
    Harvey faltete seine zierlichen Hände auf dem Tisch. »Das wäre nett, danke schön. Nur einen ganz kleinen. Ich kann nicht lange bleiben. Ich bin gegen Zigarettenrauch allergisch.«
    Sie bestellte ihm einen Whiskey Sour und für sich ein Mineralwasser. Angesichts seiner überraschten Miene meinte sie: »Bin auf Entzug.«
    »Wirklich? Mir hat man erzählt, du … Mir hat man was anderes erzählt.«
    »Ich wurde erst kürzlich bekehrt.«
    »Nun, gut für dich.«
    »Nicht so gut, Harvey. Entzug tut höllisch weh. Ich hasse es.« Ihre Offenheit brachte ihn zum Lachen. »Loretta, du warst ja

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