Kein Alibi: Roman (German Edition)
durchgegangen wäre. Offensichtlich hatte auch sie ihn nicht ständig in der Nähe haben wollen. Beide behielten ihre Affäre für sich. Sie sahen einander regelmäßig, wann immer sie wollten. Dieses perfekte Arrangement dauerte nun schon fast ein Jahr.
Allerdings hatten sich bei ihm in letzter Zeit Zweifel an der Perfektion ihrer Liaison eingeschlichen. Er konnte Geheimnistuerei und Täuschungsmanöver nicht ausstehen, besonders nicht in persönlichen Beziehungen, bei denen er die altmodische Überzeugung vertrat, dass Ehrlichkeit dort eine Grundkomponente sein sollte.
Außerdem enttäuschte ihn das geringe Maß an Vertrautheit, die es, wenn man ehrlich war, eigentlich gar nicht zwischen ihnen gab. Obwohl Steffi eine heißblütige und raffinierte Geliebte war, standen sie sich emotional nicht näher als beim ersten Mal. Damals hatte sie ihn zum Abendessen eingeladen. Das Ganze hatte auf ihrem Wohnzimmersofa geendet, nachdem sie sich die Kleider vom Leib gezerrt hatten.
Hammond hatte wochenlang alle Pros und Contras gründlich abgewogen, und er war zu dem Schluss gekommen, dass ihre Beziehung einen Punkt erreicht hatte, an dem ihm etwas fehlte. Statt sich auf ihre gemeinsamen Abende zu freuen, hatte er sie mehr und mehr gefürchtet. Inzwischen rief er sie lieber später als früher zurück. Und selbst im Bett, beim Sex, ertappte er sich dabei, dass er an ganz andere Dinge dachte, während er seine Sache als rein körperliche Routine, ohne emotionale Tiefe abspulte. Es war
besser, das Ganze zu beenden, ehe Gleichgültigkeit in Abneigung umschlug.
Obwohl er nicht recht wusste, was er von einer Beziehung erwartete oder brauchte, war er überzeugt, dass er es bei Stefanie Mundell nicht finden würde, egal, was es war. Letzte Nacht war er dem sehr viel näher gekommen, mit einer Frau, von der er nicht einmal den Namen kannte. Das warf zwar ein trauriges Licht auf seine Beziehung mit Steffi, aber es war andererseits eine echte Bestätigung dafür, dass es Zeit war, Schluss zu machen. Doch diesen Entschluss zu fassen, war eine Sache, ihn umzusetzen eine ganz andere. Am liebsten hätte er die Affäre so nett wie möglich beendet, ohne es auf das emotionale Pendant des Hundertjährigen Krieges hinauslaufen zu lassen. Bestenfalls konnte er darauf hoffen, dass es nicht mit mehr Tumult endete, als es angefangen hatte.
Die Wahrscheinlichkeit dafür war kleiner als null. Eine Szene war garantiert. Er, der sich davor gefürchtet hatte, sah sie jetzt kommen.
Es dauerte einen Augenblick, bis die Bedeutung seiner Worte verfangen hatte. Dann schluckte Steffi, verschränkte zunächst die Arme vor ihrer offenen Bluse, ehe sie sie mit einer trotzigen Geste wieder öffnete und seitlich herunterhängen ließ. »Schätzungsweise meinst du mit ›das‹ –«
»Uns.«
»Ach?« Sie legte den Kopf schief und hob die Augenbrauen in einer Art und Weise, die ihm nur allzu vertraut war. Das war ihr typischer Gesichtsausdruck, wenn sie von jemandem die Schnauze voll hatte und ihn baldigst in Stücke reißen würde. Normalerweise war es ein Assistent oder eine Sekretärin, die einen Brief für sie nicht ordentlich vorbereitet hatten, oder ein Polizist, der in seinem Bericht eine wesentliche Tatsache vergessen hatte, oder irgendeiner, der es wagte, ihr über den Weg zu laufen, wenn sie mal wieder ihren Kopf durchsetzen wollte. »Seit wann ›geht‹ das denn für dich nicht mehr weiter?«
»Schon geraume Zeit. Meinem Gefühl nach trudeln wir in unterschiedliche Richtungen.«
Lächelnd zuckte sie mit den Achseln. »Wir waren beide in letzter
Zeit abgelenkt, aber das lässt sich leicht ändern. Zwischen uns gibt es genug Gemeinsamkeiten, um zu retten –«
Er schüttelte den Kopf. »Steffi, nicht nur in unterschiedliche Richtungen. In entgegengesetzte.«
»Könntest du dich ein bisschen präziser ausdrücken?«
»Okay.« Er blieb gelassen, obwohl er ihren Tonfall verabscheute, mit dem sie ihn indirekt zum Trottel abstempelte. »Irgendwann würde ich gerne heiraten und Kinder haben. Du hast mir unzählige Male klar gemacht, dass du kein Interesse an einer eigenen Familie hast.«
»Es überrascht mich, dass du es hast.« Er lächelte ironisch. »Eigentlich überrascht’s mich auch.«
»Du hast gesagt, du möchtest keinem ahnungslosen Kind das antun, was dein Vater dir angetan hat.«
»Das werde ich auch nicht«, meinte er knapp.
»Ist das nicht ein sehr junger Sinneswandel?«
»Neu, und doch schon länger im Werden. Für eine Weile
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