Kein Alibi: Roman (German Edition)
Wenn sie erfuhr, dass man ihr lediglich den Platz des Kopiloten zugedacht hatte, würde sie sauer werden, aber mit ihrem Ärger würde er sich zur rechten Zeit auseinander setzen.
Denn für Hammond Cross war heute ein Neuanfang – und der hatte eigentlich schon letzte Nacht begonnen.
Während er mit einer Hand sein Auto vom Anwesen der Pettijohns weglenkte, griff er mit der anderen nach einem Stück Papier in seiner Brusttasche und schaute noch einmal auf die Adresse, die er aufgeschrieben hatte.
Atemlos platzte Steffi ins Krankenzimmer. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was habe ich verpasst?«
Kurz bevor sie Hammonds Wohnung verlassen hatte, hatte Smilow sie auf ihrem Handy erreicht. Wie versprochen hatte er angerufen, sobald der Dienst habende Arzt die Befragung seiner Patienten gestattete.
»Smilow, ich will unbedingt dabei sein«, hatte sie ihm am Telefon erklärt.
»Ich kann nicht auf dich warten. Möglicherweise zieht der Arzt sein Angebot wieder zurück, wenn ich nicht sofort nachhake.«
»Okay, aber mach langsam. Bin schon unterwegs.«
Obwohl Hammonds Wohnanlage nicht weit vom Krankenhauskomplex entfernt lag, hatte sie auf der Fahrt jede Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten. Sie wollte unbedingt wissen, ob die Patienten mit der Lebensmittelvergiftung irgendjemanden in der Nähe der Penthouse-Suite von Pettijohns Hotel gesehen hatten.
Nach ihrem stürmischen Auftritt blieb sie einen Moment im Türrahmen stehen, ehe sie über den Fliesenboden zum Krankenbett hinüberging. Der Patient war ein Mann um die fünfzig, mit einer Gesichtsfarbe wie Brotteig. Seine Augen lagen tief eingesunken im Schädel, umrahmt von dunklen Ringen. Seine rechte Hand hing an einer Infusion. Eine Bettpfanne und ein nierenförmiges Spuckbecken standen in Reichweite auf dem Nachttisch.
Auf einem Stuhl neben dem Bett saß eine Frau, in der Steffi seine Frau vermutete. Sie sah nicht krank aus, sondern lediglich erschöpft und trug immer noch Freizeitkleidung: Turnschuhe, Shorts und ein T-Shirt, auf dem in Glitzerbuchstaben MAUS stand, M ädchen AU s dem S üden.
Smilow, der neben dem Bett wartete, stellte vor: »Mr. und Mrs. Daniels, Steffi Mundell. Miss Mundell kommt von der Bezirksstaatsanwaltschaft. Sie ist eng an der Ermittlung beteiligt.«
»Hallo, Mr. Daniels.«
»Hi.«
»Fühlen Sie sich besser?«
»Ich habe aufgehört, um meinen Tod zu beten.«
»Das deutet doch auf leichte Besserung hin.« Ihr Blick wanderte von ihm zu seiner Frau. »Mrs. Daniels, Sie sind nicht krank geworden?«
»Ich hatte die Krabbensuppe«, erwiderte sie mit einem matten Lächeln.
»Die Daniels sind die Letzten, mit denen ich gesprochen habe«, sagte Smilow. »Die anderen in ihrer Gruppe konnten uns nicht weiterhelfen.«
»Und sie können?«
»Bei Mr. Daniels durchaus möglich.« Darüber wirkte der Mann im Bett nicht allzu glücklich, denn er brummte: »Vielleicht habe ich jemanden gesehen.«
Steffi konnte ihre Ungeduld nicht länger zügeln und drängte auf eine genauere Aussage. »Entweder haben sie jemanden gesehen oder nicht.«
Mrs. Daniels erhob sich. »Er ist sehr müde. Könnte das nicht bis morgen warten? Nachdem er noch mal eine Nacht Ruhe hatte?« Sofort erkannte Steffi ihren Fehler und zwang sich zum Einlenken. »Tut mir Leid. Verzeihen Sie mein forsches Vorgehen. Leider haben von den Leuten, die ich strafrechtlich verfolge, ein paar schlechte Gewohnheiten auf mich abgefärbt. Normalerweise habe ich mit Mördern, Dieben und Sexualverbrechern zu tun, meistens auch noch mit Wiederholungstätern, und nicht mit so netten Menschen wie Sie. Mit braven Steuerzahlern, die sich an die Gesetze und Gottes Gebote halten, komme ich nicht allzu oft in Berührung.« Nach dieser Rede wagte sie nicht, Smilow ins Gesicht zu sehen. Sie wusste genau, wie geringschätzig seine Miene ausfiele.
Mrs. Daniels kaute an ihrer Unterlippe und wandte sich an ihren Mann. »Schatz, es liegt an dir. Fühlst du dich so, dass du jetzt durchhältst?«
Steffi hatte die beiden taxiert und sofort geschlossen, dass zwischen ihrem IQ und dem Denkvermögen der Daniels’ Welten lagen. Sie nützte ihre unentschlossene Haltung zu ihrem Vorteil und drehte noch ein wenig weiter an der Manipulationsschraube. »Selbstverständlich ist es in Ordnung, Mr. Daniels, falls Sie mit unseren Fragen bis morgen warten möchten. Aber bitte verstehen Sie auch unsere Position. Ein führendes Mitglied unserer Gemeinschaft ist kaltblütig ermordet worden. Man hat
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