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Kein Alibi: Roman (German Edition)

Kein Alibi: Roman (German Edition)

Titel: Kein Alibi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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entfernt. Innerhalb von Minuten war er dort.
    Es handelte sich um eine kurze schmale Seitenstraße, deren Gebäude unter einem Gespinst aus wildem Wein und Geschichte verborgen lagen. Eine von mehreren Straßen, die man vom quirligen Geschäftsviertel aus leicht zu Fuß erreichen konnte und die scheinbar doch Welten davon trennten. Die Architektur der meisten Gebäude in diesem Bezirk zwischen Broad Street und der Battery zeichnete sich durch historische Merkmale aus. Hinter einigen Hausnummern stand 1/2, ein Zeichen dafür, dass man den ehemaligen Anbau ans Haupthaus, z. B. eine Remise oder eine frei stehende Küche, in ein eigenständiges Wohngebäude umgewandelt hatte. Hier gab es erstklassige Immobilien; ein teures Viertel. S. O. B. – südlich der Broad Street – lautete die Abkürzung für alle, die hier wohnten.
    Hammond war nicht überrascht, dass die Praxis des Doktors
in einem Wohngebiet lag. Viele Selbstständige hatten ihre Büros in älteren Häusern und wohnten in den darüber liegenden Stockwerken, eine in Charleston seit Jahrhunderten übliche Tradition.
    Er parkte seinen Wagen etwas entfernt und betrat zu Fuß die gepflasterte Straße. Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen. Das Wochenende war vorbei, die Menschen hatten sich nach drinnen zurückgezogen. Er war der einzige Fußgänger. Die Häuser lagen im Schatten, wirkten aber durchaus freundlich und einladend. Geöffnete Fensterläden umrahmten hell erleuchtete Zimmer. Jedes Anwesen machte einen wohlhabenden und gepflegten Eindruck. Offensichtlich ging es Dr. Ladd ausgezeichnet.
    Schwer drückte die Abendluft wie eine Flanelldecke auf seine Brust und drohte ihn zu ersticken. Binnen Minuten klebte ihm das Hemd am Leib. Selbst sein gemütliches Tempo beruhigte ihn nicht; Unruhe zerrte an seinen Nerven.
    Ein Gefühl wie Klaustrophobie überkam ihn; er zwang sich, tief einzuatmen. Exotische Blumendüfte und der salzig-stechende Tanggeruch des Meerwassers, der aus der Entfernung vom Hafen herüberwehte, drangen ihm in die Nase. Es roch nach Holzkohlenfeuer, auf dem jemand sein Abendessen gegrillt hatte. Bei diesem Aroma lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Erst jetzt merkte er, dass er außer dem Muffin in der Hütte den ganzen Tag nichts gegessen hatte.
    Der Spaziergang bot ihm Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie er mit dem Doktor Kontakt aufnehmen würde. Was wäre, wenn er einfach zur Tür ginge und klingelte? Sollte Dr. Ladd herauskommen, könnte er so tun, als hätte er eine falsche Adresse und suchte eigentlich jemand anderen. Er würde sich einfach für die Störung entschuldigen und gehen.
    Sollte sie die Tür öffnen… Welche Möglichkeit bliebe ihm dann? Die quälendste Frage wäre damit schon beantwortet. Dann würde er sich umdrehen und ohne einen Blick zurück fortgehen und so weiterleben wie bisher.
    All diese Varianten beruhten darauf, dass sie mit dem Doktor verheiratet war. Für Hammond stellte das die logische Erklärung für ihren heimlichen Anruf und ihr schuldbewusstes Benehmen
dar. Da sie wie das blühende Leben ausgesehen und äußerlich keinerlei Anzeichen für eine Krankheit gezeigt hatte, war er nie auf den Gedanken gekommen, sie könnte eine Patientin sein.
    Jedenfalls nicht, bis er vor dem Haus stand. In dem kleinen, durch einen Eisenzaun abgeteilten Vorgarten stand ein weißes Holzschild mit schwarzer Kursivschrift.
    Dr. A. E. Ladd war Psychologe.
    War sie eine Patientin? Wenn ja, beunruhigte es ihn ein wenig, dass seine Liebste wenige Minuten, nachdem sie sein Bett verlassen hatte, das Bedürfnis verspürte, ihren Psychologen zu konsultieren. Doch er tröstete sich mit dem Gedanken, wie normal es inzwischen war, einen Therapeuten zu haben. Als Beichtväter hatten sie die Stelle von Ehepartnern, älteren Verwandten und Priestern eingenommen. Er hatte Freunde und Kollegen, die jede Woche einen fixen Termin wahrnahmen, und sei es nur, um ihren Alltagsstress abzubauen. Wer zum Psychologen ging, war kein Aussätziger und musste sich dessen gewiss nicht schämen.
    Eigentlich fühlte er sich unendlich erleichtert. Dass er mit Dr. Ladds Patientin geschlafen hatte, war akzeptabel. Ganz im Gegensatz zu der Möglichkeit, mit seiner Ehefrau geschlafen zu haben. Aber schon schob sich eine Wolke über den schwachen Hoffnungsschimmer. Wenn sie tatsächlich seine Patientin war, was dann? In diesem Fall wäre es fast unmöglich, ihre wahre Identität herauszufinden.
    Dr. Ladd würde keine Informationen über seine Patienten

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