Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
ein Selbstzerstörungsknopf, den ich da dauernd drücke, verdammt nochmal!
Doch als Laura Davies schließlich anfing, die Gäste zum Abendessen zusammenzutrommeln, das wegen der Reden, den vielen Begrüßungen und Beglückwünschungen sowie der ausgelassenen Tanzerei mit einstündiger Verspätung nun endlich stattfinden sollte, riss sich Christy endlich los. Wie die tragische Heldin aus einem Disney-Zeichentrickfilm ging sie zu der Stelle, an der sie sich zuletzt mit Will unterhalten hatte. Dort stand sie, drehte
sich einmal um die eigene Achse und verfluchte ihr bescheuertes Pflichtbewusstsein und ihren dämlichen Mangel an Mut.
Will war gegangen.
Warum habe ich ihn nicht zum Tanzen aufgefordert? Ein bisschen mehr mit ihm geflirtet?
Sie betrachtete ihr Spiegelbild in dem riesigen vergoldeten Spiegel an der Wand neben der Bühne. Darin sah sie eine verloren wirkende Gestalt, deren auffälligstes Merkmal die gewaltige Leere um sie herum war. Sicher, sie hatte tolle Organisationsfähigkeiten und eine prosperierende Firma, aber in diesem Spiegel sah sie nur eine einsame Frau.
Hinter ihr taten sich die Gäste paarweise zusammen und strömten Richtung Speisesaal. Toni war von Großtante Bessie in Beschlag genommen worden und sah sich leicht verängstigt um, bevor er sich galant von ihr wegführen ließ.
Aber in Christys Kopf gab es nur noch Will.
Wenn er gewollt hätte, wäre er geblieben. Er hätte mich zum Tanzen auffordern oder sich mit mir verabreden können, wenn er gewollt hätte …
Eine Träne, die schon eine ganze Weile zu fließen drohte, entkam schließlich und kullerte ihr über die Wange. Sie hatte ihn wohl nicht sehr beeindruckt, abgesehen davon, eine gute Testperson für seine Geschäftspläne abzugeben.
Er wollte mich nicht.
Sie hob den Kopf und wischte verstohlen die Träne weg. Dann setzte sie ein Lächeln auf und stolzierte so
selbstbewusst wie möglich los, um Annie zu suchen. Ganz sicher gab es etwas bei der Sitzordnung oder beim Menü, wobei Annie ihre Hilfe gebrauchen konnte.
28. Kapitel
Christy
3.00 Uhr
F araday, Christys Goldfisch, war vierzehn Jahre alt. Er lebte in einem Glas auf der Küchenarbeitsplatte ihrer Mutter. Offenbar hatte er es Christy nicht übelgenommen, dass sie vor zwei Jahren ausgezogen war und ihn zurückgelassen hatte.
»Mom überfüttert dich, mein Junge«, schimpfte Christy und gönnte sich ein Glas Milch. Jeglicher Versuch, nach oben zu gehen, um ein bisschen zu schlafen, wäre zwecklos.
Was für eine Nacht. Christy, Annie, ihre Mutter, Antonio und Toni hatten sich kurz nach zwei Uhr morgens in ein Großraumtaxi gequetscht und waren als alberner Haufen zu Moms Haus kutschiert worden. Roger Grace hatte sich kurz davor verabschiedet, im glücklichen Besitz von Lauras Telefonnummer und dem Versprechen, schon am nächsten Abend zusammen essen zu gehen.
Annie und Antonio waren eng umschlungen sofort nach oben verschwunden. Annie hatte gar nicht aufhören können zu schwärmen, dass es der schönste Abend ihres
Lebens gewesen sei, während ihr zukünftiger Ehemann sie liebevoll anstrahlte.
Toni wurde im Gästezimmer untergebracht. Er war offenbar so erschöpft von seinem ersten Tag in New York, dass schon nach wenigen Minuten lautes Schnarchen zu hören war.
Christy war allein. Ihre einzige Gesellschaft waren der Goldfisch und ihr iPhone. Ihre Arme schmerzten, weil sie den ganzen Tag den schweren Teppich herumgeschleppt hatte, dennoch blätterte sie durch die zahlreichen Anwendungen, las Nachrichten, spielte ein paar Memory-Spiele und ging ihre Termine für die nächste Woche durch. Heute Nacht gab es nichts mehr zu tun - außer ins Bett zu gehen. In ein paar Stunden würde sie zu der Versteigerung der Apartments fahren und sich damit quälen zuzusehen, wie ihr Traumapartment an jemanden verkauft wurde, der mehr Geld hatte als sie.
Christy betrachtete den leeren Stuhl neben sich und stellte sich vor, Will würde mit einem Becher warmer Milch in den Händen dasitzen und sich mit ihr über den Tag unterhalten. Sie sah sein Lächeln vor sich, die winzigen Fältchen, die sich dabei um seine Augen bildeten, und den sinnlichen Mund. Aber schon wieder ließ ihr Gehirn nicht zu, dass ein komplettes Bild des Mannes entstand, den sie nie wiedersehen würde.
Traurig betrachtete sie Faraday. »Hast du dich je gefragt, wie es sein würde, einen Freund zu haben?«, fragte sie. »Oder eine Freundin? Ich kenne ja weder dein Geschlecht noch deine sexuellen Vorlieben.
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