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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Alderson
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geliebter Mensch nicht mehr da war. So hatte ich mich gefühlt, als meine Mutter gestorben war. Als ich glaubte , dass meine Mutter gestorben war.
    »Ich wusste gar nicht, dass Mitleid eine eigene Farbe hat«, murmelte Amber und schaute mich an. Verlegen wich ich ihrem Blick aus. »Aber du, Demos«, fuhr sie fort, »du hast auch eine besondere Farbe. Ist dir das überhaupt klar? Das ist nicht Mitleid, was du jetzt fühlst, oder? Es ist etwas anderes. Schuld. Und Schuld hat eine ganz eigene Farbe.«
    Demos wirkte verlegen. Amber stand langsam auf, trat vor ihn hin und schaute ihm direkt ins Gesicht. »Warum bist du hergekommen?«
    »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, Amber.«
    »Ach, wirklich? Das nehme ich dir nicht ab, Demos – das würde ja bedeuten, dass du dich auch um andere Leute sorgst und nicht nur um Melissa, und dass du auch an etwas anderes als an Rache denkst.«
    Beim Namen meiner Mutter hob Alicia plötzlich den Kopf und drehte sich zu Demos um.
    »Amber«, sagte Demos, »es geht hier nicht nur um Melissa. Das weißt du selbst. Es geht darum zu verhindern, dass die Leute der Einheit noch mehr von uns einsperren und ihnen das antun, was sie mit Thomas getan haben. Aber wenn du schon anfängst, von Rache zu reden – was ist mit Ryder? Willst du dich nicht für das rächen, was sie ihm angetan haben?«
    Ambers Gesicht verzerrte sich. Abrupt drehte sie sich um, ging wieder zum Fenster und starrte auf die Straße hinaus.
    »Willst du nicht, dass das alles endlich aufhört?«, fragte Demos leise.
    Um die Wut zu spüren, die in Wellen von ihr ausstrahlte, brauchte ich keine besonderen Kräfte. Alicia starrte Demos mit einer Mischung aus Trauer und Verwirrung an. Und Bills Blick zuckte hilflos zwischen uns allen hin und her; offensichtlich war ihm die ganze Szene unangenehm.
    Schließlich drehte sich Amber um. Sie hatte sich wieder gefasst. »Weißt du, Demos, eigentlich bist du genauso schlimm wie Richard Stirling. Du versuchst, jedem deinen Willen aufzuzwingen. Für dich sind wir anderen nur Schachfiguren. Du hast Ryder überzeugt, dass wir kämpfen müssen. Und dass wir tatsächlich eine Chance hätten zu siegen.«
    Ich erschrak und spürte, wie sich etwas in mir verkrampfte.
    »Aber wir können nicht gegen die Einheit kämpfen«, fuhr Amber fort. Sie sprach immer lauter, bis ich glaubte, dass selbst Thomas sie hören musste. »Diesen Kampf können wir nämlich nicht gewinnen. Alle, die dir folgen, werden umkommen. Oder sie werden wie Thomas enden: als Laborratten für ihre Experimente. Das ist dein Kampf und ihrer.« Sie nickte in meine Richtung. »Aber nicht meiner. Und auch nicht Alicias und Bills Kampf.«
    Demos erwiderte nichts; er blickte nur zu Boden.
    Bedrücktes Schweigen breitete sich aus. Nach einer Weile räusperte sich Bill. »Ich denke, es ist besser, wenn ihr jetzt geht.«
    Demos schien etwas sagen zu wollen, aber Alicia legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte nur leicht den Kopf. Mit einem letzten Blick auf Amber ging Demos zur Tür. Er winkte mir, ihm zu folgen. Ich zögerte unsicher.
    »Amber«, sagte ich schließlich leise, »es tut mir leid.«
    Sie gab keine Antwort und drehte sich auch nicht um.

14
    Wir waren gerade aus der Hotellobby getreten, als ein Taxi mit quietschenden Reifen direkt vor uns zum Stehen kam. Metallisch kreischend kratzte ein Kotflügel an der Bordsteinkante entlang. Wir schraken zurück, während der Fahrer die Tür aufstieß und fluchend an der Schnur herumfummelte, mit der er den Kofferraumdeckel, so gut es ging, festgezurrt hatte. Auf der Beifahrerseite erschien jetzt Key und half ihm.
    Verwundert verfolgten wir die Szene. Fünf Koffer wurden nebeneinander auf den Gehweg gestellt, dann reichte Key dem Fahrer ein paar Geldscheine. Aber der Mann war nicht so leicht zu beruhigen. Mit wütendem Geschrei deutete er auf das Auto, das auf einer Seite ziemlich tief herunterhing. Dann wurde die hintere Tür aufgestoßen, sodass ein vorbeifahrender Bus abrupt ausweichen musste und wütend hupte. Eine Frau stieg aus, rund wie ein Wollknäuel und offenbar in Sonntagskleidung – einem hellgrünen Hut mit kleinem Schleier und einem dazu passenden zweiteiligen Anzug, weißen Handschuhen und weißer Lederhandtasche. Sie wirkte wie ein Miniplanet mit eigenem Gravitationsfeld – das Taxi jedenfalls neigte sich tief auf ihre Seite und richtete sich dann seufzend wieder auf. Key eilte zu ihr, reichte ihr den Arm und zog sie aus dem dichten Verkehr hinter die sichere

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