Kein Biss unter dieser Nummer
… äh …« Er schaute auf meinen Mund. Genauer gesagt, auf meine Zähne. »Könnte das zum Problem werden?«
»Das tut nichts zur S…«, fing ich kühl an, doch dann hielt ich inne. Diese Menschen waren meine Mitbewohner, und sie waren Freunde. Um der Gerechtigkeit die Ehre zu geben, es ging sie durchaus etwas an. »Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen. Ich würde niemals einen von Ihnen verletzen und auch nicht untätig zuschauen, wie jemand von Ihnen verletzt wird.«
»Oh, Jesus!« Jessica rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Ich beobachtete sie aufmerksam und argwöhnisch. Eine schwangere Frau durfte man niemals unterschätzen. Meine Mutter hatte Zwillinge geboren, und noch Jahre später hatte meinen Vater das Schaudern überkommen, wenn er sich an ihre berüchtigte Reizbarkeit erinnert hatte. Elizabeth nannte dergleichen »Wutorgasmen«. »Also wirklich! Niemand macht sich Sorgen, dass du hier einen auf Graf Dracula machst. Aber du und Betsy, ihr nährt euch doch meistens voneinander, nicht wahr? Und wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis wir sie zurückholen können. Deshalb fragen wir uns, ob es
dir
in der Zwischenzeit gut gehen wird.«
Ich schaute diese Menschen an, meine Familie. Jessica, deren Bauch an Umfang zugelegt hatte, und Marc, dessen Gehirn an Umfang zugelegt hatte. Nicht-länger-Nick, der in unserem Heim das Gesetz verkörperte (ich sollte nicht den Spitznamen in meinem Kopf Wurzeln schlagen lassen, den Elizabeth ihm gegeben hatte, sondern ihn bei seinem richtigen Namen nennen). Und Tina. Sie stand nicht für das Gesetz, sondern war das Bindeglied zwischen meiner früheren Familie und meiner neuen. Und Elizabeth …
Meine Elizabeth hatte mir diese neue Familie geschenkt; seit Jahrzehnten war ich kein Teil einer Familie mehr gewesen und hatte törichterweise angenommen, dass ich es auch niemals mehr sein würde. Ich trage meine Eltern und meine geliebte Schwester im Herzen, in der Erinnerung; meine neue Familie jedoch sehe ich jeden Tag. Ich beschützte die Toten mit meinem Geist, die Lebenden wollte ich mit meinem ganzen Körper und all meiner Kraft beschützen. Wehe dem, der ihnen auch nur ein Haar krümmte!
Oder, wie meine bezaubernde Königin sagen würde: »Wem von euch Dummdödeln soll ich mit meiner Faust das Gesicht umgestalten?«
Meine Königin war eine Frau deutlicher Worte. Sie brachte alles immer auf den Punkt. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich nach wie vor nicht weiß, was ein Dummdödel ist.
»Es ist sehr freundlich von euch, dass ihr euch um mein Wohlergehen Sorgen macht«, sagte ich in den Raum, doch ich hielt den Blick auf Jessica gerichtet. »Vielleicht solltest du dich einen Augenblick ausruhen. Die Zwillinge ermüden dich sicherlich.«
»Zwillinge?«, fragte Nicht-Nick und glitt auf den Stuhl neben seinem Schatz.
»Zwillinge?«, wiederholte Dr. Spangler und musterte die werdende Mutter mit dem durchdringenden Blick eines Arztes.
»Zwillinge?«, murmelte auch Jessica. Sie schien einen Augenblick darüber nachzudenken. Geistesabwesend rieb sie sich über ihren großen Bauch, dann nickte sie. »Natürlich. Zwillinge.«
»Das nehme ich zumindest an«, sagte ich vage. Warum hatte ich überhaupt eine derartige Bemerkung gemacht? Ich war in Gedanken gewesen – ah, ja, die Schwangerschaft meiner Mutter! Jessica wies ähnliche Symptome auf wie sie, und natürlich war sie auch recht umfangreich, was umso verblüffender war, da sie zuvor immer ausgesprochen schlank gewesen war. Warum dachte ich ausgerechnet jetzt an all diese Dinge? Zweifellos versuchte mein Verstand, die erschreckende Verzweiflung zu lindern, die mich beim Verschwinden der Königin ergriffen hatte.
Verschwinden? Diese Bezeichnung erschien mir viel zu harmlos. Elizabeth war gepackt, entführt, von mir
fortgerissen
worden.
»Natürlich, Zwillinge!«, rief Nicht-Nick. »Das ergibt Sinn.«
»Ja, in der Tat«, stimmte Tina zu. »Nur …« Ihre bleiche Stirn legte sich in Falten. »Dr. Taylor schien ein wenig beunruhigt zu sein.«
»Mmmm. Ja.« Daran konnte ich mich vage erinnern. Meine Schwiegermutter hatte sich Sorgen über Jessicas Schwangerschaft gemacht. Ich hatte das ihren mütterlichen Instinkten zugeschrieben. In ihrer eigenen Kindheit hatte Jess, die ein guter Mensch und meiner Königin eine loyale Freundin war, nur wenig mütterliche Liebe empfangen. Ich wusste durch Elizabeth über Jessicas Eltern Bescheid und bedauerte es, dass sie nicht mehr auf der Welt wandelten. Es
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