Kein Biss unter dieser Nummer
»Ich habe dich nicht hergebeten, um dich zu beschämen. Nur, um es dir zu zeigen.«
»Du weißt es ja nicht.« Sie kramte in ihrer Tasche, fand eine Papierserviette und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Du weißt ja nicht, was ich getan habe. Es tut mir leid.«
»Hast du Elizabeth etwas angetan?«, fragte ich scharf.
Sie schüttelte den Kopf. »Betsy geht es gut.«
»Ebenso wie mir. Und dir. Alles andere kann warten.«
»Du … wirst … nicht glauben, was hier passiert!« Ich sah auf. Marc stand mit offenem Mund in der Kirche, das Handy wäre ihm fast aus den Fingern geglitten. »Mir fehlen echt die Worte. Was blöd für dich ist, da du ja in meinem Kofferraum liegst und darauf angewiesen bist, dass ich dir erzähle, was hier vorgeht. Aber diese unglaubliche Sache, die du verpasst, ist so verflucht unglaublich!« Das letzte »unglaublich« schrie er förmlich.
»Pst«, tadelte ich ihn. »Vergiss nicht, wo du dich befindest!« Nur selten traf ich tagsüber an einem Werktag in der Kapelle auf Menschen, dennoch war dies meiner Ansicht nach noch lange kein Grund, einen solch respektlosen Lärm zuzulassen.
»Da hat wohl jemand ein Geheimnis gehütet«, stellte Detective Berry scherzend fest. »Wie lange sind Sie schon ein vampirischer Presbyterianer?«
»Durch Betsys Entführung hast du ihn geoutet!«, sagte Jessica zu Laura. »Darauf kannst du stolz sein. Aber hör jetzt endlich auf zu heulen, sonst fang ich auch noch an!«
»Ach, gönn ihr doch eine Atempause!« Ich sah, wie Detective Berry durch den Gang eilte, aber ich hatte Laura bereits aufgeholfen. »Wie oft wird jemandem neuer Glauben an die Menschheit geschenkt? Lass ihr doch diesen Moment der Rührung!«
»Laura weint«, erzählte Marc. »Alle anderen sind jedoch guter Laune. Okay, ich stelle das Handy eine Minute auf stumm.« Er drückte eine Taste, nahm das Telefon vom Ohr und sagte zu mir: »Gott, Gott, Gott!« Als ich die Augenbrauen hob, drehte er sich zu den anderen um. »Seht ihr? Ich hab’s ja gewusst, dass er davon runter ist!«
»Runter?«, fragte ich.
»Ich hab mich in den vergangenen Tagen ein paar Mal verplappert und mich dafür entschuldigt, und du meintest immer nur: ›Kein Problem, mein Freund.‹ Ich dachte, es macht dir nur nicht mehr so viel aus wie früher.«
Ich konnte meine Belustigung nicht verbergen. »Nicht mehr so viel?«
»Na ja, nein. Das stimmt so nicht. Ich dachte, du verbirgst es nur besser«, gab er zu. »Normalerweise reagieren du und Tina auf das Wort ›Gott‹, als hätte euch jemand ins Auge gestochen. In letzter Zeit bist du jedoch nicht mehr so heftig zusammengezuckt. Ich nahm an, dass du deinen Schmerz jetzt besser verbergen kannst und dass das wohl so eine Vampirkönig-Fähigkeit sein muss, denn Tina ist ein paar Jährchen älter als du, doch sie hat immer noch ein Problem damit.«
Strahlender als die Sonne, erinnerte ich mich. Ich hatte mich in Elizabeth verloren, war in ihr ertrunken und hatte festgestellt, dass sie mir nicht nur das Licht zum Geschenk gemacht hatte. Dieses Wissen aber wollte ich nicht teilen; es gehörte zu mir wie die Königin, so wie auch ich zu ihr gehörte.
»Ich wusste ja gar nicht, dass du so ein guter Beobachter bist«, zog ich Marc auf.
»Hey, wenn sich Betsy nicht so sehr für Schuhe oder Fernsehen oder Filme interessieren würde, dann wäre sie auch ein guter Beobachter. Doch sie hat nun mal einen großen Teil ihrer Gehirnmasse für das Thema Schuhe reserviert. Warte mal, ich schalte Tina wieder zu!« Er drückte eine andere Taste auf seinem Handy. »Hey, da bin ich wieder. Ich musste nur eine Theorie ausprobieren. Wie steht’s um den Akku deines Kindle …? Ach ja? Okay, gut.« Er sah auf. »Wisst ihr, um daraus ein fernsehreifes Drama zu machen, müssten jetzt nur noch bei Jess die Wehen einsetzen.« Er sah sie aufmerksam wartend an. Wir alle blickten sie aufmerksam an.
»Was denn?«, zischte Jess gereizt. Sie hatte sich nicht setzen wollen, vermutlich eine weise Entscheidung, denn die Bänke waren so hart, als wären sie dazu gedacht, den Reichtum des Chiropraktiker-Standes zu mehren. »Mir geht’s gut. Holt euch euer Drama anderswo!«
Dies schien der passende Hinweis zu sein, dass es Zeit war, nach Hause zu fahren.
30
Mein
Schuh ex Machina
teleportierte mich auf meine Veranda.
»Jawoll!« Ich war so begeistert darüber, dass ich mich vor Freude selbst umarmte. Aber nicht lange! Schon bald würden mein armer Ehemann und meine trauernden Freunde die Umarmung
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