Kein Bisschen ohne dich
einmal nach links, und als wir das Ende des vierten Flurs erreichen, fühle ich mich irgendwie ratlos. I n der Dunkelheit sehen alle Türen genau gleich aus und ich habe keine Ahnung, wie wir herausfinden sollen, welche zu Teiferts Zimmer gehört.
»Ich denke, das ist es«, sagt Magnus plötzlich und deutet auf eine weitere unscheinbare Tür, als wir um die Ecke biegen.
Ich betrachte die fragliche Tür blinzelnd, dann sehe ich wieder ihn an. »Woher weißt du das?
Sie sieht genauso aus wie die anderen Türen, an denen wir in den letzten zehn Minuten vorbeigekommen sind.« Ich runzle die Stirn. »Du hast doch keinen Röntgenblick, oder?« Er erwähnte jedenfalls nichts in die Richtung, als er einmal seine vampirischen Megakräfte aufgelistet hat. Aber vielleicht liegt das daran, dass er mit dieser speziellen Fähigkeit lieber hinter dem Berg hält. Ich meine, es ist eine Sache, mit Superkräften oder mit Schnelligkeit anzugeben.
Aber zuzugeben, dass man nach Belieben einen Blick auf die geheimen Stellen seiner Freundin werfen kann, wann immer einem danach zumute ist, könnte einen bei besagter Freundin in eine ziemlich peinliche Lage bringen.
»Ähm, nein«, erwidert er mit einem leisen Lachen. »Ich habe nur meine ganz normale Sehkraft benutzt und das Namensschild gelesen, das neben der Tür angebracht ist.«
Oh. Stimmt. Mein Blick fällt auf das an der Wand befestigte Messingschild. Mann. Für einen geheimen Superspion auf einer Mission zur Rettung der Welt muss ich wirklich an meiner Beobachtungsgabe arbeiten. Ich schätze, es ist ganz gut, dass Magnus beschlossen hat mitzukommen.
Also los. Ich lege die Hand um den Türknauf und drehe daran.
Leider bewegt er sich keinen Millimeter.
»Hm«, flüstere ich und suche die Wand in der Nähe nach irgendeiner Art von Sicherheitspaneel ab, finde aber nichts.
Dieses Schloss scheint eher von der altmodischen Sorte zu sein, für das man einen richtigen Schlüssel braucht. »Kannst du die Tür vielleicht aufbrechen?« Nicht unbedingt diskret, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.
Magnus bedeutet mir, ich solle beiseitetreten.
»Du gestattest«, flüstert er. Aber statt sich gegen die Tür zu werfen, zieht er eine kleine Tüte aus der Hosentasche, kniet sich vorden Türknauf und nimmt eine Art silberne Haarnadel heraus. Er schiebt die Nadel in das Schloss.
Ich beobachte ihn erstaunt dabei. »Seit wann knackst du Schlösser?«, kann ich nicht umhin zu fragen. Da kenne ich ihn so lange und er hat diese spezielle Fähigkeit nie erwähnt.
»Ungefähr seit 1700«, erwidert er und hält den Blick auf das Schloss gerichtet. »Damals gab es kein Konsortium und keine Zirkel, zu denen die Vampire sich vereinigten und die ihnen den Lebensstil gewährleisteten, an den sie jetzt gewöhnt sind.« Er zieht eine andere Nadel aus der Tüte und schiebt sie in das Schloss. »Also mussten wir kreativ werden, wenn wir überleben wollten.« Er wirft mir einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder ans Werk macht. »Sei einfach dankbar, dass du nie in so einer Welt leben musst. Die Bildung des Konsortiums ist das Beste, was den Vampiren je passieren konnte.«
Ich runzle die Stirn und mir wird ganz elend bei dieser Hurra-Rede über das Konsortium.
Schließlich ist es dasselbe Konsortium, das in der Zukunft versucht, die Weltherrschaft zu übernehmen. Dasselbe Konsortium, das Magnus des Hochverrats beschuldigt und ihn aus seinem Zirkel geworfen hat, bloß weil er die Stimme gegen seinen diktatorischen Anführer erhoben und um eine Rückkehr zur Demokratie gebeten hat. Nicht gerade die Art Organisation, bei der einem ganz warm und wohlig im Bauch wird.
Aber das Problem ist, wird mir soeben klar, dass noch nichts von alledem passiert ist und dass Magnus der Gruppe immer noch mit naiver Loyalität gegenübersteht. Zum Kuckuck, er hat beim ersten Mal lächerlich lange gebraucht, um die Wahrheit zu erkennen. Und jetzt muss ich wieder ganz von vorn anfangen, wenn ich ihn auf meiner Seite haben will, damit er mir hilft, Pyrus zu stürzen.
Aber eins nach dem anderen. Erst müssen wir Lucifent retten. Beweisen, dass ich weiß, wovon ich rede. Dann hören sie vielleicht auf mich, was den Rest angeht.
Magnus steht auf. »Ich hab's.«
Ich recke enthusiastisch beide Daumen hoch.
»Gott sei gedankt für deine verdorbene Vampirjugend«, ziehe ich ihn auf. Er lässt ein verschämtes Grinsen aufblitzen, dann greift er nach dem Knauf, dreht ihn und drückt die Tür auf. KNARRR!
Ich zucke zusammen.
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