Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
Vom Netzwerk:
gelebt zu haben.« Sie hasste es, Johns Träume zu zerstören, doch noch grausamer schien es, Hoffnung in ihm zu wecken.
    An diesem Abend bereiteten sie dem Hund ein Bett auf dem Fußboden der Hütte. Sie fanden ein wenig Stroh und eine Decke, mit der sie eine große Schachtel auslegten, die sie hinter dem Haupthaus gefunden hatten. Dann legten sie sich alle um den Hund herum und überschütteten ihn mit Liebkosungen und Küssen. Der Hund hechelte geduldig, als Martha sich an seinen Hals klammerte und flötete: »Du bist ein guter Hund.«
    Als sie den Kindern zuschaute, wusste Mamah, was sie zu tun hatte. Sie würde die Zettel noch zwei Tage hängen lassen. Vielleicht auch nur einen. Und wenn niemand seinen Anspruch anmeldete (bitte, lieber Gott, lass niemanden Ansprüche anmelden) , würde sie in aller Stille hingehen und sie wieder abnehmen.
    Noch lagen zwei Wochen vor ihnen, ganze vierzehn Tage, um mit dem Hund schwimmen zu gehen, ihm Stöckchen apportieren beizubringen, ihm einen Namen zu geben, mit ihm zusammen zu schlafen. Wenn sie im August abreisenmussten, konnte der Hund mit ihnen zusammen im Zug reisen. Wenn Edwin ihn nicht haben wollte, und sie wusste, dass das nicht der Fall sein würde, würde sie ihn mit nach Wisconsin nehmen.
    Vielleicht war es unfair, den Hund in Wisconsin als Lockvogel einzusetzen, damit ihre Kinder gerne zu Besuch kamen. Edwin würde es als Kalkül bezeichnen, eine List, um sich den Weg in ihre Herzen zu erschleichen. Ihr war gleichgültig, was er dachte. Für sie war dieser Hund die Gelegenheit für eine zweite Chance. Und sie würde sie ergreifen, wenn sie sich ihr bot.
Kapitel 34
    Franks Wagen fuhr holpernd über den Highway 14. Er wies Mamah auf Besonderheiten hin, auf alte Farmhäuser oder Bäume, die bedeuteten, dass Spring Green noch fünfzig oder sechzig Meilen entfernt lag. Das Auto war mit Koffern und Kisten voll beladen. In eine Ecke gezwängt, ließ der Hund, den die Kinder Lucky getauft hatten, ungeachtet des Nieselregens den Kopf aus dem Fenster hängen.
    »Siehst du diese Tafel?« Frank deutete auf eine Scheune in der Ferne.
    Jemand hatte die gesamte Seitenwand mit einer Reklame bemalt. Als sie näher herankamen, konnte sie sehen, dass es sich um einen realistisch wirkenden nackten Fuß handelte. Nur ein Wort begleitete das Bild: FUSSPILZ .
    »Sind sie dafür oder dagegen?«, fragte sie.
    Frank lachte. »Willkommen in Wisconsin.«
    »Ich könnte schwören, dass du einen Akzent hast, seit wir Illinois hinter uns gelassen haben.«
    »Oh, in einem Monat hast du den auch.«
    Die meiste Zeit unterhielt Frank sie auf der Fahrt mit Geschichten über die Familie seiner Mutter. »Radikale Unitarier«, nannte er sie. »Echte Reformer.« Sein Großvater hatte sich vor über fünfzig Jahren unmittelbar südlich des Wisconsin River in Helena Valley niedergelassen. Drei Brüder seiner Mutter – Enos, James und John – hatten ihre Farmen in der Nähe des Hügels, wo Frank gerade das neue Haus baute. Nur Jenkin Lloyd Jones war in die Stadt gezogen, um dort als unitarischer Geistlicher Karriere zu machen. Er lebte in Chicago und war inzwischen recht bekannt, doch selbst Onkel Jenkin hatte hier oben Land erworben – ein paar Hektar am Wisconsin River, die er Tower Hill nannte, wo er jeden Sommer eine Art Indianerlager veranstaltete. Sie alle hatten es zu etwas gebracht, der ganze Clan seiner Tanten und Onkel. Untereinander mochten sie sich streiten, doch nach außen hin hielten sie loyal zusammen. Seine Verwandten waren seine ersten Kunden gewesen. Ganz früh schon hatte er für die alte Farm seines Großvaters eine Kapelle entworfen und später für seine Tanten, die Lehrerinnen waren, eine Schule.
    Mamahs Angst wuchs, als die Familiengeschichten sich eine über die andere schichteten. O Gott, dachte sie, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?
    Noch bevor sie Spring Green erreichten, hatte Frank ihr eine spektakuläre Sehenswürdigkeit versprochen. Jetzt zeigte er in der Ferne auf ein Felsmassiv aus Sedimentgestein, das sich quer über ein Feld erstreckte. »Hier siehst du – Gott in Streifen«, sagte er.
    »Wir sind zehn Meilen von zu Hause entfernt.«
    Sie verfielen in Schweigen. Die verregnete Landschaft vor dem Fenster glich einer Perspektivstudie in Kohle, in der sich die Straße wie ein schwarzes Band durch die vor ihnenliegenden Felder wand. Im Vordergrund ragten aus den Gräben die rostroten Fingerdeltas der Färberbäume empor, in der Ferne verschwammen die Hügel zu

Weitere Kostenlose Bücher