Kein Blick zurueck
Windmühle, die er für die Schule seiner Tanten gebaut hatte. »Siehst du nun, wie eins ins andere übergeht?«
»Für zwei Lehrerinnen scheint mir das ein sehr romantischer Name zu sein.«
Frank lachte. »Oh, ich habe diesen Namen ausgesucht. Es gibt nicht einen bekennenden Romantiker unter den Lloyd Joneses. Wir ziehen es vor, als unsentimental zu gelten.« Er nickte in Richtung der verschiedenen Gebäude, die die Hügel in der Umgebung des neuen Hauses sprenkelten. »Früher einmal, als ich noch jung war, lebten sechzig oder siebzigMitglieder meiner Familie auf diesen Hügeln. Dort ist Tan-Y-Deri.«
Tan-Y-Deri war das Haus seiner Schwester Jennie. Mamah kannte auch diese Geschichte. Jennie hatte für ihre Familie auf einem Präriehaus bestanden, wie er es in Oak Park gebaut hatte. Frank hatte ihr ein »natürliches« Haus bauen wollen, das eher zwischen die Hügel passte. Jennie musste genau so dickköpfig sein wie er, dachte Mamah.
»Tan-Y-Deri ist walisisch und bedeutet ›unter den Eichen‹«, sagte er gerade. Er deutete nach Südosten. »Dort drüben ist das Haus von Onkel Enos.«
»Warum fühle ich mich gerade an Italien erinnert?«
»Sag du es mir.«
»Ich habe das Gefühl, als ähnelten die Farmen deiner Onkel kleinen Lehnsgütern, so wie früher in der Toskana.«
»Du liegst nicht weit daneben«, sagte Frank. »Die Leute nennen dieses Tal nicht umsonst das Tal der allmächtigen Joneses.«
Der Wagen schlich zu einer hohen Torsäule aus grob geschichteten Steinblöcken. Obenauf ragte eine klassisch geformte nackte Statue. Die üppigen weißen Kurven ihres Körpers verschmolzen mit den geraden Linien des vor ihr liegenden, bis in die Wolken hinaufreichenden Hauses. Die Frau hielt den Kopf gesenkt, und ihre Hand legte den Schlussstein auf das Gebäude.
»Blume in bröckelnder Mauer«, sagte Frank und wies mit dem Kopf in Richtung der Statue. »Ich habe Bock eine für Taliesin anfertigen lassen.« Es handelte sich um die gleiche Statue, an der Mamah den Bildhauer bei einem ihrer ersten Besuche in Franks Studio in Oak Park hatte arbeiten sehen. »Sie sieht hier fantastisch aus – wie der Schutzengel des Hauses.«
Das Auto wurde über die Zufahrt unter das Dach des Wagenportalsgeleitet und von dort aus weiter, das Haus auf der einen Seite und den Talgrund auf der anderen. Mamah stellte sich bereits Gruppen von Narzissen vor, die den kleinen Hügel hinauf wuchsen. Vor ihnen, am Ende der Zufahrt, sah sie im Hof Arbeiter kommen und gehen. Als sie und Frank näher heranfuhren, stellte sie fest, dass die Fenster an der Rückseite des Hauses sich alle auf diesen Hof hinaus öffneten. Ein geschlossener Hof!
Einige Arbeiter schirmten mit der Hand die Augen ab, als der Wagen langsam näher kroch. Als Frank die Tür öffnete, wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu, verputzten und hämmerten, als hätten sie die Neuankömmlinge gar nicht bemerkt. Mamah wollte schnellstens über die Einfahrt in den Hof laufen, blieb stattdessen aber wie angewurzelt stehen. Niemand sah zu ihr herüber.
»Billy!«, rief Frank dem Vorarbeiter zu, der nun auf sie zukam. Der Mann war klein und hatte ein wettergegerbtes, gebräuntes Gesicht. Frank hatte Mamah von dem Zimmermann erzählt, der Franks knappe Skizzen in seine schrundigen Hände nehmen und ohne richtige Zeichnungen beinahe exakt den entsprechenden Grundriss abschreiten konnte.
»Billy, ich möchte, dass du jemanden kennenlernst. Das hier ist die Dame des Hauses.«
Billy Westons Hosen waren an den Knien und an der Stelle, wo sein Hammer in einer Schlaufe hing, durchgescheuert. Er war nicht alt, vielleicht fünfunddreißig, doch alles an ihm wirkte ausgeblichen. Sogar seine blauen Augen glichen blassen Eiern in einem alten Nest. Mamah beobachtete, wie sich in diesen Augen Verwirrung abzeichnete. Frank hatte offenbar im Voraus keinerlei Erklärung abgegeben.
»Wie geht’s Ihnen, Ma’am?«, murmelte Bill und nickte.
»Sie wird diejenige sein, an die du dich wenden musst, wenn ich nicht da bin.«
Bills Blick begegnete misstrauisch kurz dem ihren, ehe er erneut nickte. Frank hatte gesagt, dass Billy seine Anweisungen nicht immer freudig entgegennahm. Wie sollte sich so jemand damit abfinden, von ihr Befehle entgegenzunehmen?
»Ja, Sir.« Billy kratzte sich hinter dem Ohr und trat von einem Fuß auf den anderen.
»Ihr beide werdet einander ganz gut kennenlernen, bis dieses Haus endlich fertig ist.«
»Fertig?«, grinste Billy. »Bei Ihnen ist nie etwas nicht fertig,
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